junge Welt Interview 04.11.2000 Warum geraten Journalisten ins Visier des Staatsschutzes? jW sprach mit Peter Nowak, der für verschiedene Zeitungen, darunter die junge Welt, arbeitet _________________________________________________________________
F: Montag früh wurden Ihre Berliner Wohn- und Arbeitsräume von Polizisten durchsucht. Dabei wurden Ihr Arbeitscomputer und Presseunterlagen beschlagnahmt (junge Welt berichtete). junge Welt vom 01.11.2000- Berlin- Staatsschutz bei junge Welt-AutorWie sehen Sie den Grund der Polizeiaktion?
Im Durchsuchungsbeschluß hieß es, die Maßnahme habe das Ziel, Unterlagen zu finden, mit denen mir ein »Verstoß gegen das Vereinsgesetz« nachgewiesen werden soll. Konkret wird mir vorgeworfen, die in Deutschland verbotene linke türkische DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) zu unterstützen. Tatsächlich beschäftige ich mich in meiner journalistischen Arbeit seit über einem Jahr auch mit der Kriminalisierung dieser Organisation hier in Deutschland sowie mit den menschenunwürdigen Verhältnissen in den türkischen Gefängnissen. Ich lasse in meinen Artikeln auch die von der Kriminalisierung Betroffenen, deren Anwälte und Angehörigen zu Wort kommen. Das ist den staatlichen Behörden offenbar ein Dorn im Auge.
In meiner journalistischen Arbeit habe ich mich seit Jahren auf unbequeme Themen spezialisiert - z.B. Antifaschismus von Unten, Internationalismus, Anti-AKW-Bewegung. Die staatliche Repression gegen Aktivisten dieser Bewegungen war immer Teil meiner Berichterstattung.
F: Müssen also kritische Journalisten hierzulande dann selber mit Repression rechnen?
In der Geschichte der Bundesrepublik ist die Kriminalisierung und Mundtotmachung unangepaßter Journalisten leider an der Tagesordnung. So wurde Ende der 80er Jahre Journalisten, die sich kritisch mit der Gentechnologie beschäftigten, vorgeworfen, an der Anti-Gen- Kampagne der Revolutionären Zellen/Rote Zora beteiligt gewesen zu sein. Im Dezember 1987 gab es deswegen bundesweite Razzien. Die Journalistin Ingrid Strobl saß deswegen mehrere Jahre im Gefängnis. Damals wurde der Begriff der anschlagsrelevanten Themen geprägt.
Seit den 70er Jahren wurden selbst liberale Journalisten als Sympathisanten des Terrorismus diffamiert, wenn sie die Maßnahmen des Staates gegen die RAF und andere bewaffnet kämpfende Gruppen kritisierten oder die Haftbedingungen der Gefangenen anders als in den Presseerklärungen der Bundesanwaltschaft darstellten.
F: Können sich Journalisten gegen solche Kriminalisierungsversuche wehren?
Theoretisch gibt es bei uns die im Grundgesetz verankerte Presse- und Meinungsfreiheit. Darauf gründet sich auch die Beschwerde, die mein Anwalt gegen diese Durchsuchungsaktion einleiten wird. Ziel ist, die Maßnahme für rechtswidrig zu erklären und die unverzügliche Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände zu verlangen.
F: Wollen Sie sich darauf verlassen?
Natürlich nicht. Rechtsfragen sind immer Machtfragen. Wenn eine aktive kritische Öffentlichkeit fehlt, die sich gegen staatliche Angriffe auf Journalisten wendet, können selbst die engagiertesten Anwälte wenig bewirken. Dabei sollte auch den politischen Aktivisten klar sein, daß Repression gegen Journalisten immer darauf abzielt, bestimmte, dem Staat nicht genehme Themen einfach aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Es soll außer der staatlichen Version keine andere Meinung mehr geben. Im Zusammenhang mit der Fahndung gegen die RAF im sogenannten Deutschen Herbst 1977 hat sich die übergroße Mehrheit diesen Vorgaben gebeugt und sich unter Aufgabe ihrer journalistischen Aufklärungspflicht zum Sprachrohr der Bundesanwaltschaft gemacht.
Ich werde hingegen auch in Zukunft versuchen, der staatlichen Version die Stimme des Widerstandes entgegenzusetzen.
Interview: Arian Wendel |