N D vom 12.12.05Zeugen mit falschen Bärten In Potsdam diskutierten Antifaschisten über staatliche Repression | Von Peter Nowak Am Freitagabend diskutierten in Potsdam-Babelsberg Vertreter von Antirepressionsgruppen aus Berlin, Frankfurt (Oder) und Potsdam über den Umgang der Linken mit staatlicher Verfolgung... In Potsdam diskutierten Antifaschisten über staatliche Repression Am Freitagabend diskutierten in Potsdam-Babelsberg Vertreter von Antirepressionsgruppen aus Berlin, Frankfurt/Oder und Potsdam über den Umgang der Linken mit staatlicher Verfolgung. In den vier Städten wurden politische Aktivisten in der letzten Zeit mit Hausdurchsuchungen, Bespitzelungen und mit Strafverfahren überzogen. So versuchen die Justizbehörden aktive Linke in Frankfurt/Oder mit Sachbeschädigungen der verschiedenen Art in Verbindung zu bringen, die in der deutsch-polnischen Grenzstadt in der letzten Zeit verübt worden sind. Da die Beweise fehlen, wurden Menschen aus dem linksalternativen Milieu mit Hausdurchsuchungen und Zeugenvorladungen überzogen. Von einigen Aktivisten wurden DNA-Analyen genommen. Diese Ermittlungsmaßnahme wurde dann später vom zuständigen Amtsgericht für ungültig erklärt. Der Ermittlungseifer der Behörden wurde dadurch aber nicht gebremst. Längst ist nicht mehr nur die linke Szene im Visier. So wurden im Zuge der Ermittlungen vor der Agentur für Arbeit in Frankfurt/Oder 7 Kameras und 3 Inforotstrahler angebracht, die alle Aktivitäten, auch Proteste gegen Hartz IV, registrieren. Vor einigen Wochen haben einige Linke die Soligruppe Frankfurt/Oder gegründet. "Wir wollen nicht wie das Kaninchen auf die Schlange die Repression starten sondern uns zusammenschließen und mit anderen Gruppen Erfahrungen austauschen", erklärte Robert von der Soligruppe. Auch Leila aus Berlin betonte, wie wichtig die Solidarität der Linken ist, wenn Menschen ins Visier der Justiz geraten. Ihr Freund Christian F. sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft, weil er auf einer Antifademonstration in Berlin eine Flasche in Richtung der Neonazis geworfen haben soll. F. bestreitet die Tat, für die es außer den widersprüchlichen Aussagen von Zivilbeamten keine Beweise gibt. Doch die Polizeizeugen treten weder mit ihren Klarnamen noch mit offenem Visier vor Gericht auf. Sie sind mit einer Perücke und einen angeklebten Bart ausstaffiert und statt mit ihrem Namen werden sie mit einer Codenummer angeredet. Das Gericht begründete diese Maßnahme mit der Gefährdung der Zeugen, da der Angeklagte im autonomen Milieu verankert. Allerdings erklärten die Polizeizeugen auf Nachfragen der Anwälte von Christian F., dass sie sich keineswegs bedroht fühlen. "So wird Rechtsgeschichte neu geschrieben", erklärte der Potsdamer Rechtsanwalt Steffen Sauer. Seine Mandantin Julia S. saß mehr aus 5 Monate in Untersuchungshaft. Sie war nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Potsdamer Neonazi festgenommen worden (ND berichtete). Ihre Freilassung war das Ergebnis einer Kampagne, an der Künstler, Wissenschaftler sowie Politiker von Linkspartei und der Grünen beteiligt waren. Doch noch immer wird gegen Julia S. und vier weitere Potsdamer Antifaschisten wegen Mordversuch ermittelt. Bei den leichten Verletzungen, die der Rechte davon getragen hätte, ist bisher in vergleichbaren Fällen wegen Körperverletzung ermittelt worden, so Anwalt Sauer. Die Anwesenden in Potsdam waren sich einig, dass es mehr als nur juristischer Unterstützung bedarf, damit nicht ein weiteres Kapitel Rechtsgeschichte geschrieben wird. |