ND vom 17.6.05 Vom Nein zum Ja für Alternativen EU-Kritiker treffen sich am Wochenende in Luxemburg
Von Peter Nowak Am Wochenende wollen Initiativen aus drei Ländern in Luxemburg über Perspektiven einer linken EU-Kritik debattieren. Die Debatte um die europäische Verfassung, so Kritiker, scheine weitgehend an den sozialen Bewegungen in Deutschland vorbei gegangen zu sein. Während die Linke in Frankreich durch die Verfassungsdiskussion gestärkt wurde, überwiegen in Deutschland oft noch die Bedenken, diese Thematik überhaupt aufzugreifen. Verteidigen die Verfassungsgegner nicht den alten Nationalstaat? Machen Sie nicht gegen ihren Willen mit Rechten gemeinsame Sache? Das sind einige der Fragen, die in Debattenbeiträgen in linken Medien der letzten Wochen zu lesen waren. Auch deshalb bereiten linke EU-Gegner aus Deutschland, Belgien und Luxemburg seit Monaten Aktivitäten gegen die luxemburgische EU-Präsidentschaft vor, die demnächst zu Ende geht. Für das kommende Wochenende soll in Esch in einem alternativen Camp ein »Gegenkongress« stattfinden. Obwohl alle EU-Gipfel inzwischen nach Brüssel verlegt wurden, wollen die Kritiker in Luxemburg, wo die Bürger am 10. Juli in einem Referendum über die Europäische Verfassung abstimmen werden, über die Perspektiven einer linken EU-Kritik diskutieren. Durch die Ablehnung der Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden hat diese Frage eine neue aktuelle Bedeutung bekommen. Linke EU-Gegner sehen darin einen ersten bescheidenen Erfolg. »Die Ablehnung bedeutet einen Rückschlag beim Bestreben der EU, die eigene Souveränität zu festigen, sich zu modernisieren und als Akteurin mit Weltmachtanspruch aufzutreten.« Sie sehen dadurch bessere Chancen für eine grundsätzliche Kritik des europäischen Projektes, die sich nicht nur auf die repressive Flüchtlingspolitik, die europäische Aufrüstung und die neoliberale Wirtschaftspolitik beschränkt. Diese linken EU-Kritiker begreifen Europa als einen Wirtschaftsraum, der sich fit macht für die Konkurrenz mit den USA. Wie kann nun aus dem Nein zur Europäischen Verfassung ein Ja zu einer emanzipatorischen Alternative werden - das ist die große Frage, die auch am Wochenende in Luxemburg diskutiert werden soll. Die Veranstalter sehen die Gefahr, dass nach den Referenden einige gemäßigte Nichtregierungsorganisationen durch Partizipationsangebote eingebunden werden, um mit etwas vorsichtigeren Formulierungen und Verfahrensweisen das alte Europa wieder auf Kurs zu bringen. Sie wollen sich nicht darauf beschränken, einzelne Themenfelder der europäischen Politik isoliert zu betrachten. Und die Aktivisten betonen, dass ihr Nein zur EU-Verfassung eine eindeutig antinationale Stoßrichtung hat. Jeden Bezug auf den Nationalstaat lehnen sie strikt ab. Doch sehen sie im Gegensatz zu vielen Verlautbarungen etwa aus dem liberalen Spektrum in der EU auch kein Bollwerk gegen den Nationalismus. »Gerade für Deutschland ist Europa der Weg, wieder ein salonfähiges Nationalgefühl zu entwickeln, indem die deutsche Geschichte in der >gemeinsamen< europäischen Vergangenheit aufgelöst wird und Deutschland im Schoße der EU mit gutem Gewissen wieder nach Macht und Einfluss streben kann«, schreibt zum Beispiel eine Gruppe aus Trier, die führend an den Anti-EU-Aktivitäten in Luxemburg beteiligt ist. Ein alternatives Europa kann nach Meinung der linken Kritiker nur von einer Bewegung von unten getragen werden. Hoffnungen auf ein soziales und ziviles Europa ohne den Druck von der Straße halten sie für illusionär. Deshalb wollen sie am Wochenende neben den theoretischen Debatten auch in der Öffentlichkeit Flagge zeigen. So ist am 18. Juni eine Demonstration in Luxemburg geplant. Die Veranstalter betonen, dass es für die Protestbewegung eine Chance ist, nicht nur auf das EU-Gipfeltreffen in Brüssel zu schauen, sondern Aktionen selbstbestimmt zu planen. Ob das Konzept aufgeht und die Proteste auf Resonanz stoßen, muss sich allerdings erst zeigen. Beobachter in Luxemburg sind da eher skeptisch.
Zahlen und Fakten Der Luxemburger Ratsvorsitz präsentierte dem EU-Gipfel gestern einen neuen Kompromiss für die umstrittene Finanzierung der Union. . Als Gesamtrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 schlägt Luxemburg einen Anteil an der EU-Wirtschaftsleistung von 1,06 Prozent vor. Das wären rund 870 Mrd. Euro - gut 150 Mrd. weniger als von der EU-Kommission gefordert. Ausgezahlt werden soll aus der EU-Kasse aber nur 1,00 Prozent. . Größter Einzelposten sind die Agrarausgaben - etwa 300 Mrd. Euro. Luxemburg rechnete nun den größten Teil der Ausgaben für die 2007 beitretenden Staaten Rumänien und Bulgarien hinein, der bisher nicht berücksichtigt wurde. Das bedeutet Kürzungen für die anderen. . Der umstrittene Briten-Rabatt soll ab 2007 in Höhe des durchschnittlichen Nachlasses von 1997 bis 2003 festgeschrieben werden - das sind rund 4,6 Mrd. Euro. Diese Summe soll aber nicht an die Inflation angepasst werden. Bislang sollte der Rabatt nach 2007 schrittweise auslaufen. London lehnte ab. . Der Anteil der NettozahlerDeutschland, Niederlande und Schweden soll auf Basis des nationalen Mehrwertsteueraufkommens halbiert werden. . Übergangsregelungen sollen für Länder wie Spanien gelten, die wegen des statistisch sinkenden Wohlstandes in der erweiterten EU künftig keine Sonderförderung mehr erhalten. |