ND 28.02.05Räteromantiker Von Peter Nowak Ich bin noch nie in Ostberlin aufgetreten«. Mit diesem Geständnis überraschte der Liedermacher Walter Mossmann am Samstagnachmittag das interessierte Publikum in der Berliner Wabe. Dem Musikjournalisten Michael Kleff gelang es im Gespräch mit Mossmann dessen politisch-kulturelle Biographie noch einmal lebendig zu machen und durch einige Liedbeispiele zu verdeutlichen. Mitte der 60er Jahre sang Mossmann seine ersten Lieder gegen eine bundesrepublikanische Gesellschaft, in der die Verbrechen der Deutschen während der Nazizeit beschwiegen und jeder Kritiker mindestens in die DDR, wenn nicht gar ins KZ gewünscht wurde. Doch Mossmann große Stunde kam in den 70er Jahren, als knapp 60 km von Freiburg am geplanten Atomkraftwerkstandort Wyhl die Geburtsstunde der bundesdeutschen Anti-AKW-Bewegung begann. Seine Liedertexte wurden gedruckt an allen Orten von Protesten verteilt und gesungen. Nicht nur in der BRD, auch in der Schweiz und in Frankreich wurden Mossmanns Lieder gesungen.In der DDR war Mossmann auch nicht unbekannt. In einer im Jahre 1968 im Eulenspiegel-Verlag veröffentlichten Anthologie zu internationalen Protestsongs war seine Ballade über einen Bundeswehrverweigerer abgedruckt. Mossmann wurde nicht gefragt und protestierte, denn er wollte nicht in einem Buch verewigt sein, dessen Herausgeber schrieben, in der DDR seien Protestsongs nicht nötig, weil es dort keine Gründe für Proteste gäbe. »Für mich gab es kein Entweder Oder. Ich suchte immer den 3.Weg,« so beschreibt Mossmann noch heute seine große Distanz zum nominalsozialistischen System Osteuropas. Deswegen geriet er sogar mit Franz-Josef Degenhard in Streit, seinen alten Freund und Kollegen aus Burg-Waldeck-Tagen. Der setzte den 3.Weg mit Standpunktlosigkeit gleich. Wer Mossmanns Ballade für Tonio, einen von den nicaraguanischen Contras ermordeten Freiburger Internationalisten hört, wird schnell merken, dass Mossmann klar Partei ergriffen hat, für die Menschen in der 3. Welt. Auf Kriegsfuss aber steht Mossmann mit den Mächtigen dieser Welt bis heute. Seine Singstimme hat Mossmann durch eine schwere Krankheit verloren, doch eine Stimme für die Ausgeschlossenen ist er noch immer auch in seiner Wahlheimat Ukraine, in der er seit Anfang der 90er Jahre lebt. In den aktuellen innenpolitischen Ereignissen stand er auf Seiten der Bürgerrechtsbewegungen, ohne irgendwelche Hoffnungen in die neuen Machthaber zu setzen. Er ist ein Mann des dritten Weges also bis heute geblieben, eine Art Räteromantiker, wie er sich selber einmal bezeichnete. Einen guten Überblick über das Lebenswerk des Freiburger Barden gibt es seit Kurzem: Walter Mossmann: »Chansons, Flugblattlieder, Balladen, Cantastorie & Apokrüfen« (Trikont) Jede der 4 CDs enthält ein Booklet mit Anmerkungen, Dokumenten, Fotos und kritischen Kommentaren von Mossmann. |