ND vom 4.11.05Ein Déjà vu bei ver.di Von Peter Nowak Natürlich ist längst alles relativiert, dementiert. Nein, ver.di stelle den Atomausstieg nicht in Frage, erklärt die Gewerkschaft: »Daran ändert sich nichts«. Zu viel Kritik hat der jüngst mit IG BCE und Energiekonzernen unternommene Vorstoß zur Zukunft der Kernenergie verursacht - etwa den empörten Austritt des SPD-Ökologen und Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer. Und der Ärger könnte weitergehen, denn selbst in »klärenden« Dementi finden sich zweideutige Formulierungen: Um den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren, könne »es für eine begrenzte Zeit erforderlich sein, im Rahmen des Atomkonsenses verstärkt Atomenergie« einzusetzen. Ein wenig fühlt man sich an die 70er und 80er Jahre erinnert, wo Gewerkschaften gegen die junge Anti-AKW-Bewegung Front machten. Vor allem die IG Bergbau tat sich damals hervor - gemeinsam mit den Unternehmern. »Die Chaoten von Brokdorf gefährden unsere Arbeitsplätze«, erklärte etwa der Betriebsratsvorsitzende von KWU in Mülheim/Ruhr. Gewerkschafter initiierten Unterschriftensammlungen: Man habe »kein Verständnis für Leute, die als Berufsdemonstranten (...) rechtswidrig Bauplätze besetzen«. AKW-kritischen Journalisten wurde vorgeworfen, durch »bewusste Irreführung« Zehntausende Jobs zu gefährden. Dem im Herbst 1976 vom KWU-Gesamtbetriebsrat initiierten Aktionskreis Energie (AKE) gehörten 350 Betriebsräte der Energiewirtschaft mit 1,5 Millionen Beschäftigten an. Die AKW-Gegner in den Gewerkschaften reagierten mit dem »Arbeitskreis Leben«, der aber innergewerkschaftlich nie viel Einfluss hatte. Mit dem langjährigen Chefredakteur der IG-Metall-Mitgliederzeitung Heinz Brandt bekamen sie zwar prominente Unterstützung. Wegen einer Kundgebungsrede in Brokdorf sollte der aber 1977 aus der IG Metall ausgeschlossen werden. Solidarische Kollegen verhinderten dies, doch eine »Rüge« musste schon sein. Ereignisse wie der GAU im AKW Tschernobyl haben auch in den Gewerkschaften allmählich zum Umdenken geführt. Dennoch war die Wahl eines Grünen an die Spitze einer Gewerkschaft lange Zeit schier undenkbar. Um so erstaunter steht man nun einem Déjà vu der besonderen Art gegenüber - dass ausgerechnet Frank Bsirske seine Zustimmung zu einem Papier gab, in dem neben der Zustimmung zur Kernenergie auch noch die baldige Einrichtung eines Endlagers für atomare Abfälle gefordert wird. |