ND vom 16.8.05 Insel der Jugend inmitten der Donau Eine Million Menschen bei Festival in Ungarn Von Peter Nowak, Budapest »Guten Morgen, liebe Festivalfreunde« - die freundliche Frauenstimme erläutert auf ungarisch, deutsch, englisch, französisch und italienisch, wie sich der Gast auf der weitläufigen Insel in der Donau nicht weit von der Budapester Innenstadt am besten zurecht findet. Das ist auch nötig, denn zunächst ist das Labyrinth an Straßen, Wegen und Abzweigungen verwirrend. Die Größe der Insel lässt schnell vergessen, dass sich hier seit dem 10. August fast eine Million Menschen aus vielen europäischen Ländern zum Sziget-Festival 2005 versammelt haben. Obwohl Budapest so nahe ist, bleiben viele Festivalbesucher bis zum Ende des Treffens am 17. August auf der Insel. Denn dort ist in den letzten Wochen eine eigene Stadt mit Läden, Sparkassen, Kneipen, etc entstanden. Das Festival ist in Budapest mittlerweile ein Wirtschaftsfaktor. Das hätten sich der Dichter, Theater- und Filmregisseur Péter Müller Sziami und der Konzertveranstalter Károly Gerendai nicht träumen lassen, als sie Anfang der 90er Jahre auf dem Heimweg von einen Konzert das Konzept für das Festival im Auto erarbeiteten. Ausgangspunkt ihrer Diskussion war das »Touristische Landestreffen der Universitäts- und Hochschulstudenten«, kurz EFOTT genannt, eine der beliebtesten Jugendveranstaltungen Ungarns, vergleichbar mit den amerikanischen Spring Breaks. Ursprünglich ein sozialistisches Sommerlager, wurde es nach dem Ende des Kalten Krieges Anziehungspunkt für tausende Jugendliche. Müller Sziami und Gerendai fragten sich, wie man dieses Fest größer, besser und interessanter gestalten könne. 1993 war der Startschuss des ersten Festivals mit mehr als 300 Konzerten. Schon im folgenden Jahr explodierten die Besucherzahlen von 40 000 auf 140 000. Die Jugend nicht nur Ungarns war begeistert. Seitdem wächst das Festival weiter. Das könnte auf die Dauer zum Problem werden. Schon vermissen Besucher der ersten Stunde das Flair der frühen Jahre. Die Live-Auftritte, in diesem Jahr so bekannte Namen wie Korn, Franz Ferdinand oder Nick Cave, werden oft von der Konservenmusik übertönt, die rund um die Uhr von unzähligen Verkaufsständen dröhnt. Die Veränderungen in der ungarischen Jugendkultur der letzten 15 Jahre hat auch auf dem Festival Spuren hinterlassen. Gesellschaftliche Anliegen sucht man vergeblich auf dem weiträumigen Gelände, dafür immer mehr Stände von Siemens und anderen Konzernen. Die Utopien der Anfangsjahre finden sich höchstens noch in den Songs. |