FR vom 31.3.05 Journalismus unter Verdacht Reporterin in Ankara vor Gericht VON PETER NOWAK Immer wieder müssen sich in der Türkei Journalisten vor Gericht verantworten, besonders wenn sie für linke oder prokurdische Zeitungen schreiben. Gestern stand erstmals eine österreichische Journalistin in Ankara vor Gericht. Die für das Wiener Radio "Orange" arbeitende Sandra Bakutz war am 10. Februar kurz nach ihrer Einreise am Flughafen in Istanbul verhaftet worden. Die türkischen Behörden werfen ihr vor, die in der Türkei verbotene DHKP/C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front) unterstützt zu haben. Für Herbert Gnauer vom Vorstand des Radios ist diese Beschuldigung "fadenscheinig". Er kenne Sandra Bakutz als Menschenrechtlerin, die die Situation der politischen Gefangenen in der Türkei in ihren Radiobeiträgen immer wieder thematisiere, so Gnauer. Auch am 10. Februar wollte die Reporterin einen Prozess besuchen, in dem sich türkische Journalisten, Künstler und Juristen wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation verantworten müssen. Bakutz wollte darüber einen längeren Radiobeitrag produzieren. Für Gnauer ist klar: Seine Kollegin ist bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit verhaftet worden. Auch die Organisation "Reporter ohne Grenzen" und das journalistische Netzwerk International Press Institute (IPI) haben gegen Bakutz' Verhaftung protestiert und ihre sofortige Freilassung verlangt. "In einer Demokratie ist es wichtig, dass Regierungen die Informationsfreiheit ermutigen und jegliche Einschüchterung von Journalisten unterlassen", erklärte IPI-Direktor Johann P. Fritz in einer Presseerklärung. "Reporter ohne Grenzen" kritisierte das Vorgehen der türkischen Behörden. "Sandra Bakutz wurde wie eine Terroristin behandelt, obwohl sie in der Türkei nur Fakten für ihre journalistische Arbeit sammeln wollte", hieß es in einer Erklärung. Beobachter beim Prozess Protestresolutionen gegen Bakutz' Festnahmen wurden an türkische Botschaften und Konsulate verschiedener europäischer Länder geschickt. Auch das österreichische Außenministerium setzte sich für die sofortige Freilassung der Wienerin ein. Zum Prozessauftakt am Mittwoch hatten auch Journalistenorganisationen aus mehreren Ländern Beobachter angekündigt. Wie sich der Rummel auf das Verfahren auswirken wird, ist noch offen. Beobachter halten eine baldige Freilassung der Angeklagten für möglich, weil die Verhaftung der Journalistin gerade in EU-Ländern die Zweifel am Demokratisierungswillen der Türkei verstärkt hätten. Andererseits gab es in letzter Zeit Stimmen aus dem Staatsapparat der Türkei, die die Kritik an der Menschenrechtspolitik ignorieren oder sogar noch eine härtere Gangart gegen Oppositionelle fordern. In einem Brief aus dem Gefängnis hat die österreichische Journalistin erklärt, dass es nicht nur um ihre Person gehe. "Ich möchte nun dazu aufrufen, dass sich die Augen der internationalen Öffentlichkeit weiter auf die Türkei und auf die Umstände hier richten, damit das Schweigen zur der Situation in den Gefängnissen endlich ein Ende nimmt." |