ND 24.05.05Die EU übernimmt immer mehr die Position der USA Pedro Presiga über die politische Entwicklung in Kolumbien unter Präsident Uribe Pedro Presiga ist internationaler Vertreter des Kolumbianischen Kleinbauerndachverbands Fensuargo und lebt zur Zeit in Brüssel. Er musste sein Land verlassen, weil er wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten in Kolumbien mit dem Tode bedroht wurde. Für ND sprach mit ihm Peter Nowak. ND: Ist der kolumbianische Staat unter der Präsidentschaft von Álvaro Uribe auf dem Weg zur Demokratie, wie häufig in den Medien zu lesen ist? Presiga: Ganz im Gegenteil. Die Menschenrechtsverletzungen haben unter Uribe ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Unter dem Schlagwort des Antiterrorkampfes werden in Kolumbien sämtliche verfassungsrechtlichen Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Davon sind sowohl Gewerkschaften, Bauern-, Studenten- und Stadtteilorganisationen betroffen. Immer wieder werden Aktivisten dieser Bewegungen verfolgt und häufig auch ermordet. Hinzu kommt die flächendeckende Bespitzelung der Bevölkerung. Dazu wurden über eine Million Informanten von der Regierung rekrutiert. Wie gelingt es der Regierung, so viele Menschen für ihre Zwecke zu rekrutieren? Es ist nicht schwer, Menschen zu solchen Zwecken in einem Land zu gewinnen, wo Armut und Hunger in großen Ausmaßen an der Tagesordnung sind. Es sind vor allem arme Bauern, die als Soldaten in die Dörfer zurückgeschickt werden, in denen sie geboren wurden. Dort kennen sie viele Menschen, die sie dann bespitzeln. Zur Zeit wird im kolumbianischen Parlament über ein Gesetz zur Eingliederung der Paramilitärs gestritten. Warum hat die Regierung ein solches Interesse daran? Hierbei handelt es sich um eine Scheindebatte. Denn die Paramilitärs waren niemals Gegner des kolumbianischen Staates. Es gibt vielmehr enge politische und ökonomische Verbindungen zwischen dem Staat und den Paramilitärs. Gerade Uribe hat besonders enge Verbindungen zu diesen Kreisen und hat dort auch seine Wählerbasis. Man kann also sagen, dass sich der Staat mit diesen Gesetzen selbst amnestieren will. Die Legalisierung der Paramilitärs bedeutet auch, dass alle Verbrechen an der kolumbianischen Bevölkerung straffrei bleiben. Aber auch die Drogengelder, die über die Paramilitärs geflossen sind, werden so legalisiert. Diese Pläne haben nicht nur in Kolumbien, sondern auch bei zahlreichen internationalen Menschenrechtsorganisationen, wie Amnestie International und der UNO Widerstand ausgelöst. Auch in deutschen Medien wird viel von Uribes Beliebtheit in der Bevölkerung gesprochen. Ist das mehr als nur Propaganda? Bei den Wirtschafts- und Militärkreisen ist Uribe tatsächlich sehr beliebt. Doch in breiten Teilen der Bevölkerung wächst der Widerstand gegen eine erneute Kandidatur Uribes zur Präsidentenwahl. Denn dazu musste die Verfassung, die eine zweite Kandidatur ausschloss, erst geändert werden. Der Widerstand dagegen beginnt bei der Kommunalwahlen und schließt auch moderate linke Kreise um den Bürgermeister von Bogotá Eduardo Garzón mit ein. Wenn es uns gelingt, einen Kandidaten aufzustellen, der von allen Teilen der Opposition unterstützt wird, kann Uribe bei den nächsten Wahlen besiegt werden. Einen solchen Kandidaten sucht die Oppositionsbewegung zur Zeit. Wie bewerten Sie die Politik der Europäischen Union gegenüber Kolumbien? Die EU übernimmt in der letzten Zeit in der Kolumbien-Frage immer mehr die Sicht der USA. Die Problematik wird als ein reines Sicherheitsproblem und nicht als ein sozialer Konflikt bewertet. Selbst USA-kritische Politiker wie der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero haben sich in Bogotá von Uribe empfangen lassen. Allerdings gibt es in der europäischen Bevölkerung auch Bündnispartner für die sozialen Bewegungen in Kolumbien. Sowohl in verschiedenen Gewerkschaften als auch bei den Europäischen Sozialforen von Paris und London spielte die Solidarität mit der kolumbianischen Bevölkerung eine große Rolle. Das wissen wir zu schätzen. |