Telepolis vom 21.01.05Bilder der Bewegung Peter Nowak Die Globale05 will die globalisierungskritische Bewegung mit dem Medium des Films darstellen "Zuschauer werden zu Akteuren, Konsumentinnen zu Produzentinnen. Der Blick öffnet sich: neun Tage Welt in Nahaufnahme. Ausbeutung und Entrechtung, Grenzüberschreitung und Deportation, Krieg und Konzernherrschaft, Kampf und Hoffnung." Mit diesen leicht pathetischen Worten stellt sich ein ambitioniertes Projekt im Internet selbst vor: das Filmfestival globale 05 [1]. Der Name soll daran erinnern, dass die gesamte Welt Schauplatz der ca. 60 Filme war, die bis zum 20. Januar in zwei Berliner Kinos gezeigt wurden. Außerdem erinnert der Titel nicht zufällig auch an die globalisierungskritische Bewegung, der viele der Globale-Organisatoren verbunden sind. "Wir wollten andere Bilder über diese Bewegung vermitteln, als bloß militante Auseinandersetzungen Gipfelevents. Uns ging es darum, die Pluralität der Bewegung zu zeigen. Dazu eignet sich das Medium Film hervorragend", begründete eine Mitorganisatorin die Motivation für ihre Aktivitäten. Nun sind die Randale-Bildern bei Großgipfeln auch nicht mehr der aktuelle Stand. Außerdem besteht an politischen Filmen gerade in Berliner Kinos kein Mangel. Die fetten Jahre sind vorbei [2] lief nicht nur in ausgewählten Programmkinos. In den letzten Wochen starteten mit Olga Benario - ein Leben für die Revolution [3], Der letzte Tag des Salvador Allende [4] und Die Reise des jungen Che [5] allein drei Filme mit explizit politischem Anspruch, die sich Themen der lateinamerikanischen Linken widmen. Doch das fünfunddreißigköpfige Globale-Team, bestehend aus Gewerkschaftlern, Studierenden und Künstlern, zeigte auf dem Festival eben nicht nur Filme mit politischen Hintergrund. Nach den meisten Präsentationen wurde das Publikum zur Diskussion mit Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen oder politischen Initiativen eingeladen. Filme und Diskussionsveranstaltung waren 7 Themenfeldern zugeordnet, die von der Frage: "Ist Mode politisch?" über "Globale Medienmacht" bis zu "Multinationale Konzerne versus Demokratie" alles abdeckten, was die globalisierungskritische Bewegung zur Zeit diskutiert. Viele der gezeigten Filme waren das erste Mal in Deutschland zu sehen und haben kaum Chancen, in größeren Kinos oder gar im Fernsehen einen Platz zu bekommen. Ein gutes Beispiel ist Gaby Webers akritisch recherchierte Dokumentation Wunder gibt es nicht. Die Verschwundenen von Daimler Benz in Argentinien [6]. Der Film wurde kurzfristig wieder aus dem Fernsehprogramm genommen. Webers Recherchen [7] haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich mit dem Fall der verschwundenen argentinischen Gewerkschaftler jetzt auch die Justiz befasst [8]. Auch das Video Ermordete Coca-Cola-Gewerkschafter in Kolumbien [9] unterstützt eine internationale Kampagne [10] der kolumbianischen Gewerkschaften für Bestrafung der Paramilitärs und ihrer Proteges aus Wirtschaft und Politik. Ebenfalls nie im Fernsehen zu sehen war Welcome to Holland - The Camp Vught [11], die beklemmende Reportage über den Widerstand jugendlicher afrikanischer Flüchtlinge gegen den Versuch, sie in kasernenähnlichen Zuständen in Camp Vught zu internieren, bis man sie mit 18 Jahren wieder nach Afrika abschieben werden. In dem Film werden die Jugendlichen als selbstbewusst handelnde Akteure wahrgenommen und nicht als "arme Opfer", die von "edlen Europäern" betreut werden. Allein für die Präsentation solcher Filme ist zu hoffen, dass die Globale eine Fortsetzung findet. Vielleicht wäre zu überlegen, ob man statt einem einwöchigen Frontalprogramm nicht besser jeden Monat einen Globale-Tag installiert. Um neben Kunstinteressierten auch andere Zielgruppen anzusprechen, wären Jugendzentren und Gewerkschaftshäuser zur Präsentation sicher auch sehr geeignet. Aus dem Globale-Rahmen fiel die Auftaktveranstaltung Unabomber, LSD und Internet sind die Stichworte, mit denen der Verleih für den gerade angelaufenen Film "Das Netz" von Lutz Dammbeck [12] bewirbt (Das Netz [13]). Er dreht sich um den als Unabomber [14] bekannt gewordenen Mathematiker Theodore John Kaczynski. Während er weiterhin die ihm zur Last gelegten Anschläge bestreitet, bekennt er sich vehement zum Inhalt seines antitechnologischen Manifests [15], das eine Kampfansage an die westliche Zivilisation ist. Kaczynski selber hat seine Thesen praktisch umgesetzt. Er lebte bis zu einer Verhaftung 1996 in einer einsamen Holzhütte ohne Strom und Wasser im Norden der USA (Bomben aus der Wildnis [16]). Bei der Podiumsdiskussion nach dem Film bekannte sich der US-Anarchist John Zerzan [17], der als einer der theoretischen Köpfe der Proteste gegen den WTO-Gipfel von Seattle im Jahr 1999 vorgestellt wurde, zu einer klaren Absage an Technik und Zivilisation. Außerdem legte er Wert darauf, ein Antiglobalisierer und kein Globalisierungskritiker zu sein. Die Frage, ob das Gedankengut eines Kaczynski nicht völlig inkompatibel mit einer emanzipatorischen Globalisierungskritik ist, kam während der Diskussion nur am Rande auf. In Dammbecks Film wurden Verbindungen zweimal kurz hergestellt. Die globalisierungskritische Bewegung wird noch mehr Debatten über die Hintergründe und politische Implikationen der antizivilisatorischen und antitechnologischen Manifeste, wie sie nicht nur von Kaczynski verbreitert werden, führen müssen.
LINKS
[1] http://www.globale-filmfestival.de/) [2] http://www.diefettenjahre.de/ [3] http://www.kinonews.de/index.php/article_7755/contractor_4/owntemplate_/ first_ [4] http://www.allende-der-film.de/ [5] http://www.santiago-de-cuba.info/che.htm [6] http://www.ila-web.de/kulturszene/271mercedes.htm [7] http://www.kritischeaktionaere.de/Aktuelles/Weber-Buch/weber-buch.html [8] http://www.labournet.de/branchen/auto/dc/ar/kaleck.html [9] http://kanalb.de/edition.php?clipId=62 [10] http://www.labournet.de/internationales/co/cocacola/ [11] http://www.ridm.qc.ca/film.f/welcometoholland.html [12] http://www.hfbk-dresden.de/profs/dammbeck.htm [13] http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19240/1.html [14] http://www.unabombertrial.com/ [15] http://www.thecourier.com/manifest.htm [16] http://www.telepolis.de/r4/artikel/1/1331/1.html [17] http://www.primitivism.com/zerzan.htm |