ND vom 10.9.05Stimmlose melden sich zu Wort Aktionstag gegen Abschiebung vor Berliner Parteizentralen Von Peter Nowak Flüchtlinge statteten gestern den Zentralen der Bundestagsparteien Besuche ab, um auf deren »rassistische Politik« hinzuweisen und Bleiberecht für alle Flüchtlinge zu fordern. Am Freitag kam es zeitweise zu einem ungewohnt großen Andrang vor den Parteizentralen von SPD, CDU, Grüne und Linkspartei. Doch die zirka 100 Menschen, die sich dort versammelten, besitzen größtenteils kein Wahlrecht und müssen sogar um ihre Existenz in Deutschland fürchten. Deswegen meldeten sie sich mit ihren Forderungen im Wahlkampf zu Wort. Protest in sieben Sprachen »Leben ohne Angst vor Abschiebungen« oder »Wir bleiben hier« stand auf den Transparenten, die vor den Parteizentralen der Bundestagsparteien aufgespannt wurden. In sieben Sprachen wurde daran erinnert, dass in Deutschland offiziell sieben Millionen Migranten und Flüchtlinge leben, davon eine halbe Million unter besonders prekären Bedingungen ohne gültige Papiere. In der Wahlpropaganda müssten Flüchtlinge als Sündenbock herhalten. Die antirassistische Parteien-Tour begann vor der SPD-Zentrale, wo besonders betont wurde, dass es SPD-Bundesinnenminister Otto Schily zu seiner Erfolgsbilanz zählt, die Flüchtlingszahlen auf den niedrigsten Stand seit Jahren gebracht zu haben.Vor der CDU-Zentrale wurde an rassistische Wahlkampagnen von führenden Politikern wie Roland Koch und Jürgen Rüttgers erinnert. Die Grünen wurden dafür kritisiert, dass sie die minderheitenfreundliche Rhetorik der Gründungszeit längst der Realpolitik geopfert haben. So habe das von den Grünen noch immer als Erfolg gefeierte neue Asylgesetz für die Betroffenen eher Nachteile gebracht. Auch die Linkspartei blieb von der Kritik des antirassistischen Bündnisses, zu dem zahlreiche Flüchtlingsinitiativen gehören, nicht verschont. Vor dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus endete die mehrstündige Tour. Sprecher kritisierten, dass in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo die PDS mitregiert, weiterhin Flüchtlinge abgeschoben und diskriminiert werden. Auch der Spitzenkandidat der Linkspartei Oskar Lafontaine wurde nicht nur wegen seiner »Fremdarbeiterrede« kritisiert. Mit Linkspartei im Dialog Während vor den anderen Parteizentralen Polizisten für einen strikten Abstand zu den Politikern sorgten, setzte man bei der Linkspartei auf Dialog. Nicht nur Mitglieder der PDS-nahen Jugendorganisation solid beteiligten sich an der Kundgebung. Auch die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Petra Pau versuchte mit den Antirassisten ins Gespräch zu kommen. Doch diese betonten, dass sie vor allem Taten in der Politik sehen wollen. Dazu gehört die Abschaffung aller Sondergesetze für Flüchtlinge, die Schließung aller Abschiebegefängnisse und der Stopp der Abschiebungen. Denn Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus müssen wegen der Residenzpflicht weiterhin für ihre Bewegungsbeschränkungen kämpfen. Deshalb bleiben ihre Forderungen über den Wahltag hinaus aktuell. |