ND 02.03.05Ein »netter« Film über die Nazis? Niko von Glasow über die Widerstandsgruppe »Edelweiß-Piraten« ND: Ihr Film »Edelweiß-Piraten« wurde kürzlich auf der Berlinale sehr positiv aufgenommen. Der Spielfilm frei nach Ereignissen in Köln-Ehrenfeld im Herbst 1944 hat in Deutschland aber bisher noch keinen Verleih gefunden. Warum? Glasow: Er wurde in zahlreiche Länder, unter anderem nach Thailand, in die USA, nach Kanada und Belgien verkauft. Ich bin guten Mutes, dass sich auch in Deutschland bald ein Verleih finden wird. Das bisherige Desinteresse liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass die Edelweiß-Piraten eine hauptsächlich von Arbeiterjugendlichen getragene Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime war. Waren denn die Edelweiß-Piraten eher unbedeutend im Widerstand gegen das NS-Regime? Nach den Gestapo-Akten zählten allein in Köln über 3000 Personen zu den Edelweiß-Piraten. Einige von ihnen haben sich Schießereien mit der Gestapo geliefert und Juden versteckt. Außerdem planten sie, Nazieinrichtungen in die Luft zu sprengen. Unter den Namen Edelweiß-Piraten sind Widerstandsgruppen im Rheinland aufgetreten. In anderen Regionen gab es ähnliche, mit anderen Namen. Sie waren also keineswegs unbedeutend. Warum sind sie trotzdem relativ unbekannt? Ihr Widerstand ist in der Nachkriegszeit verschwiegen worden oder wurde total entpolitisiert. Schließlich mussten die Mitglieder der Edelweiß-Piraten klauen, um für sich und die von ihnen versteckten Juden das Überleben zu sichern. Viele Edelweiß-Piraten haben unter Folter jegliche politische Motivation abgestritten. Sie haben alles versucht, um als Kriminelle zu erscheinen. Genau diese Schutzbehauptungen werden von manchen Historikern bis heute zum Anlass genommen, die Edelweiß-Piraten als Kriminelle ohne jegliche politische Motivation und ethische Gesinnung zu bezeichnen. Ich habe selber erst über einen Freund aus New York über die Edelweiß-Piraten erfahren, obwohl ich aus Köln komme. Sind nicht aber mittlerweile Aktivisten der Edelweiß-Piraten geehrt worden? Einer der wenigen Überlebenden, Jean Jülich, wurde zunächst in Yad Vashem in Israel für seine Widerstandsarbeit geehrt, erst danach in Deutschland. Mit ihm haben wir schnell Kontakt bekommen und über ihn haben wir weitere Kontakte knüpfen können. Das hat uns bei dem Film sehr geholfen. Fast zehn Jahre hat es von der Planung bis zur Fertigstellung des Films gedauert. Was hat Sie so behindert? Unser größtes Problem war die Finanzierung. Muss der Film denn so brutal sein?, habe ich immer wieder zu hören bekommen, wenn ich das Drehbuch vorlegte. Ich habe erwidert, dass muss genau so brutal sein. Ich wollte eben keinen netten Film über die Nazis drehen. Wie haben die Zuschauer auf Ihren Film bisher reagiert? Während der Berlinale gab es sehr gute Publikumsreaktionen. Die Leute sind auch emotional mitgegangen. Besonders Arbeiterjugendliche konnten sich in die Figuren total gut rein versetzen und mit den Edelweiß-Piraten identifizieren, weil die eben auch aus der Arbeiterklasse kamen. Was hat sie motiviert, so unbeirrt an diesem Projekt festzuhalten? Das ist wohl am besten tiefenpsychologisch zu erklären. Ich habe lange nicht gemerkt, wie tief die Verdrängung der NS-Zeit auch in meiner unmittelbaren Umgebung war. Je mehr mir das klar wurde, desto entschlossener wurde ich, den Film zu machen. Fragen: Peter Nowak |