ND 25.02.05Weder NATO noch EU Interview mit dem Linzer Friedensforscher Gerald Oberansmayr Gerald Oberansmayr von der Werkstatt Frieden & Solidarität in Linz ist Autor des im Wiener Promedia-Verlag erschienenen Buches »Auf dem Weg zur Supermacht - Die Militarisierung der EU«. Mit ihm sprach Peter Nowak. ND: Die USA ist die Kriegsmacht, die EU die Friedensmacht, wird bis hinein in die Friedensbewegung auch jetzt bei den Protesten gegen den Bush-Besuch oft behauptet. Stimmt diese Gegenüberstellung? Oberansmayr: Nein. Die EU-Militarisierung begann schon vor Jahren. Angeheizt wurde sie durch den Krieg gegen Jugoslawien. Damals begann der Startschuss für massive Aufrüstungsprogramme der Union, die alle Waffengattungen, einschließlich der Modernisierung von Atomwaffen, umfassen. Die Kosten allein der 20 größten Rüstungsprojekte, die derzeit in den EU-Staaten laufen, verschlingen rund 550 Milliarden Euro - das entspricht dem jährlichen Sozialprodukt von Finnland, Schweden und Dänemark. Können Sie das konkretisieren? Das Eurofighter-Programm, neue Kampfhubschrauber und Militärtransporter, Schlachtschiffe, U-Boote und Flugzeugträger, die Militarisierung des Weltraums, neue Raketensysteme und Sprengköpfe bis hin zu Mini-Nukes für den »präventiven Atomkrieg« zählen zu den kostenaufwendigsten Projekten der europäischen Aufrüstung. Man kann die Programme aber nicht isoliert betrachten. Sie greifen ineinander und sollen zu Angriffskriegen »von der Dimension des Golfkriegs von 1991 oder darüber« befähigen, wie es im jüngsten »European Defence Paper« heißt, das vom EU-Rat in Auftrag gegeben wurde. Linke und pazifistische Gruppen lehnen die EU-Verfassung ab. Ist ihre Kritik berechtigt? Auf jeden Fall. Denn in dem mit dem Titel »Besondere Bestimmungen für die Durchführung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« überschriebenen Artikel I-41 dieser Verfassung heißt es wörtlich: »Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern«. Ein eigenes Rüstungsamt soll überprüfen, ob die Aufrüstungsbekundung auch umgesetzt wird. Eine solche Aufrüstungsverpflichtung ist weltweit einmalig. Welche Länder sind dabei federführend? Der Luxemburger Ministerpräsident und gute Kenner der EU-Gremien, Jean-Claude Juncker, erklärte einmal, dass er noch nie »eine dunklere Dunkelkammer als den EU-Konvent« erlebt habe, wo die EU-Verfassung entwickelt worden ist. Es ist also schwierig, die Entscheidungsprozesse in den Gremien transparent zu machen. Doch besteht kein Zweifel daran, dass die Machteliten Frankreichs und Deutschlands federführend die Entwicklung der EU zur eigenständigen Militärmacht vorantreiben. Was bedeutet das für die Friedensbewegung? Sie darf sich weder auf Seiten der US-dominierten NATO noch auf Seiten der deutsch-dominierten EU einbinden lassen. Dieser Grundsatz ist in Österreich weitgehend Konsens und Kernforderung des derzeit in Einleitung befindlichen Friedensvolksbegehrens. Ich habe den Eindruck, dass auch in anderen Ländern eine zunehmende Sensibilisierung für die EU-Militarisierung besteht. Die Friedensbewegung darf sich nicht in eine antiamerikanische Richtung instrumentalisieren lassen. Zu unseren Bündnispartnern gehört auch die Bewegung in den USA. Unsere gemeinsamen Gegner sind Blair, Bush, Chirac und Schröder. Wenn die Friedensbewegung an Breite gewinnen will, muss es ihr gelingen, den Zusammenhang zwischen Aufrüstung und sozialen Kahlschlag herzustellen und ein Bündnis mit den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften zu schmieden. Unsere zentralen Aufgaben muss in der nächsten Zeit die Ablehnung der EU-Verfassung und der Kampf gegen die Entsendung von EU-Truppen in alle Welt sein. |