Linkszeitung 23.10.05Symbol der Hausbesetzer droht jetzt Privatisierung «Das ist unser Haus» - Bethanien soll ein Bürgerbegehren retten Von Peter Nowak Das ehemalige Hospital Bethanien im Berliner Stadtteil Kreuzberg ist ein Haus mit Geschichte. Doch nun scheint sich dort Geschichte zu wiederholen: Die Schlagzeilen, die das Bethanien heute macht, ähneln sehr jenen Berichten zu Beginn der siebziger Jahre, als junge Menschen den Abriss des Gebäudekomplexes am Mariannenplatz verhinderten, indem sie ihn besetzten. Die Band Ton-Steine-Scherben hat das Haus damals deutschlandweit bekannt gemacht. "Das ist unser Haus", sang Rio Reiser, "ihr kriegt uns hier nicht raus." Der Protestsong ist derzeit wieder häufiger in Berlin zu hören. Nur dass es dieses Mal nicht um Abriss geht, sondern ganz im Trend der heutigen Kommunalpolitik - um Privatisierung. Dem Leerstand vieler Räume in dem Gebäude will das Kreuzberger Bezirksamt abhelfen, indem es einen solventen Investor sucht, der aus dem früheren Krankenhaus ein Kultur-Gründerzentrum machen soll. Von einem Teil der Künstler, die im Bethanien ihre Ateliers haben, wird der Plan sogar unterstützt. Doch andere Nutzer sowie Anwohner des Bethanien sind davon gar nicht begeistert. "Ein kulturelles Gründerzentrum ist für einen großen Teil der Kreuzberger Bewohner nicht zugänglich. Das lehnen wir ab"; sagt Babara Köstler. Die Kreuzbergerin engagiert sich in der Initiative "Zukunft Bethanien", die in den vergangenen Tagen mit einer für die Berliner noch ungewohnten Initiative an die Öffentlichkeit gegangen ist: Sie hat das erste Bürgerbegehren Berlins gestartet. Das Gesetz, das Bürgerbegehren möglich macht, ist erst vor kurzem in Berlin verabschiedet worden. In einem ersten Schritt hat die Initiative dem Bezirksamt Kreuzberg- Friedrichshain fünf Forderungen zur formalrechtlichen Prüfung vorgelegt. In einem zweiten Schritt müssen 5000 wahlberechtigte Kreuzberger das Begehren mit ihrer Unterschrift unterstützen. Dann könnte die Privatisierung des Bethanien verhindert und in dem Gebäude ein kulturelles und soziales Zentrum eingerichtet werden, das den Bewohnern des Stadtteils offen stehen soll. Zu den Unterstützern des Bürgerbegehrens gehört auch die Bezirksgruppe Friedrichshain/Kreuzberg der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG): "Öffentliches Eigentum verscherbeln? Das muss nicht sein und kann sehr teuer werden", meint der Kreuzberger WASG-Sprecher Wolfgang Lenk. Doch noch gibt es einige Stolpersteine auf dem Weg zu einem sozialen Zentrum Bethanien. Einer davon heißt "New York", wie sich eine Gruppe von ehemaligen Bewohnern des Haus- und Kulturprojekts Yorkstraße 59 in Berlin-Kreuzberg nennt, die Anfang Juni nach einen monatelangem Streit mit ihrem Hausbesitzer das Gebäude dort zwangsweise verlassen mussten. Seit Ende Juni haben sie in einem leerstehenden Seitenflügel des Bethanien ein neues Domizil gefunden. Doch die vom Bezirk gewährte Duldungsfrist läuft Ende Oktober ab. Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei) will notfalls gewaltsam räumen lassen. Sie sieht in den neuen Nutzern ein Hindernis für die angestrebte Privatisierung. Die ist aber mit dem Einreichen des Bürgerbegehrens zunächst gestoppt. "Dadurch ist auch jeder Grund für eine Räumung entfallen"; heißt es in einer Presseerklärung von "New York". Dabei wird das Projekt von der Initiative "Zukunft Bethanien" unterstützt. Das Beispiel Bethanien macht bereits Schule machen. Schon hat eine "Interessengemeinschaft für Bildung - gegen Kürzungswahn" in Berlin-Spandau ebenfalls ein Bürgerbegehren angekündigt. Sie will damit Kürzungen im Sozial- und Jugendbereich verhindern |