ND vom 23.9.05Bramsche, Retschow, Boizenburg Anti-Lager-Tour startet Von Peter Nowak Wie auch immer das Tauziehen um eine politische Regierungsmehrheit in Berlin ausgeht - Flüchtlinge und Migranten hier zu Lande haben wenig Grund zur Hoffnung. Noch-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) lobt sich im Wahlkampf, dafür gesorgt zu haben, dass Deutschland zur Zeit die geringste Anerkennungsquote für Flüchtlinge hat. Vielleicht-Nachfolger Günter Beckstein (CSU) steht dem Sozialdemokraten ausländerpolitisch in Nichts nach und auch Linkspartei-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine sorgte mit seinen Äußerungen über »Fremdarbeiter« für Aufregung. Gegen die politischen Verantwortlichen und das real existierende Lagersystem in der Bundesrepublik wollen Flüchtlinge und antirassistische Gruppen an diesem Wochenende einmal mehr protestieren. Die zweitägige Anti-Lager-Tour beginnt am Samstag vor dem Abschiebelager Bramsche-Hesepe in Niedersachsen. Das im November 2000 errichtete Lager gilt als Modellprojekt für den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland. Später führt die Aktion mit Bussen nach Mecklenburg-Vorpommern, wo am Sonntag mehrere Flüchtlingslager inspiziert werden sollen, unter anderem das Lager Retschow. Die Bewohner des an einem Waldrand versteckten Objektes sieben Kilometer vor den Toren Bad Doberans klagen über Isolation und schlechte hygienische Verhältnisse. Eine weitere Station der Anti-Lager-Tour soll die Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge Horst/Boizenburg sein. Seit knapp zehn Jahren organisiert die antirassistische Szene Grenzcamps und bundesweite Karawanen. Das Aktionswochenende steht in dieser Tradition, wird aber von manchem auch als Beleg für den Schrumpfungsprozess der Bewegung angesehen: Nahmen 2003 noch mehrere Tausend Menschen an einem Grenzcamp in Köln teil, werden nun wesentlich weniger Aktivisten erwartet. |