ND21.12.05 Solidarität macht Mut Angela Davis über ihr Engagement für politische Gefangene Die USA-Bürgerrechtlerin nahm dieser Tage am »Internationalen Symposium gegen Isolation« in Paris teil. ND: Sie engagieren sich seit Jahrzehnten für politische Gefangene in aller Welt. Woher nehmen Sie die Kraft dafür? Ich war vor mehr als 35 Jahren selber politische Gefangene in den USA, musste mit einem Todesurteil rechnen und erfuhr am eigenen Leib, welchen Einfluss eine starke, internationale Solidaritätsbewegung haben kann. Der damalige USA-Präsident Richard Nixon und der damalige Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan - beide erklärte Reaktionäre - schafften es nicht, mich auf den Elektrischen Stuhl zu bringen. Heute will ich etwas von der Solidarität, die ich erfahren habe, weitergeben. Sind die Bedingungen für eine solche Solidaritätsarbeit heute nicht besonders schwer? Sicher sind die Bedingungen nach dem 11. September 2001 nicht einfacher geworden. Durch den Patriot Act werden nicht nur die Rechte politischer Organisationen eingeschränkt. Eigentlich sind alle Bürger der USA betroffen. Aber auch als ich inhaftiert wurde, waren die politischen Verhältnisse keineswegs ideal. Solidarität ist gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen besonders notwendig. Die Hinrichtung des ehemaligen Gründers einer Straßengang und späteren Kinderbuchautors Tookie Williams hat vor einigen Tagen weltweit für Schlagzeilen und Protest gesorgt. Warum gelang es am Ende nicht, sein Leben zu retten? Er ist aus politischen Gründen hingerichtet worden. Tookie Williams hatte sich erst im Gefängnis für gesellschaftliche Fragen zu interessieren begonnen. Er hat sich politisiert und seine politische Identität bis zum Schluss nicht verleugnet. Das hat ihn das Leben gekostet. Als reuiger Krimineller wäre Williams vielleicht begnadigt worden, doch als politischer Aktivist nicht. Schließlich ist Gouverneur Schwarzenegger Protagonist des rechten Flügels der Republikanischen Partei. Er hat in seiner Ablehnung des Gnadengesuchs ausdrücklich erklärt, dass sich Williams unter anderem auf den langjährigen politischen Gefangenen und späteren Präsidenten Südafrikas Nelson Mandela sowie auf den im USA-Gefängnis ermordeten Black-Panther-Aktivisten George Jackson berief. Mit der Hinrichtung von Tookie Williams machte er deutlich, dass ihm die Weltmeinung egal ist. Dieser Trend hat sich nach dem 11. September 2001 verstärkt und macht Solidaritätsarbeit sicher nicht leichter. Der Kampf der politischen Gefangenen in der Türkei, der auf dem Pariser Symposium jetzt im Zentrum stand, ist in Europa kaum bekannt. Gibt es in den USA mehr Informationen darüber? Auch in den Medien der USA sind die Informationen spärlich. Am besten wird man über das Internet informiert. Ich habe über den Kampf der türkischen Gefangenen durch irische Genossen erfahren, mit denen ich seit Jahren in freundschaftlichem Kontakt stehe. In Irland gibt es schon seit langem eine rege Solidaritätsarbeit für die Gefangenen in der Türkei. Ich habe mich dann genauer mit den Haftbedingungen und dem Kampf dieser Gefangenen beschäftigt. Weil die Isolationshaft unter anderem in den USA entwickelt wurde, sah ich mich besonders in der Verantwortung. Hinzu kommt ein biografischer Grund. Als ich vor 35 Jahren im Gefängnis saß, bekam ich Solidaritätsgrüße türkischer Gefangener, die auf Toilettenpapier geschrieben waren. Der Kassiber wurde aus einem türkischen Gefängnis herausgeschmuggelt und er hat mich erreicht. Es gab mir damals Mut. Heute brauchen die türkischen Gefangenen ein Zeichen der Solidarität über alle Kontinente hinweg. Fragen: Peter Nowak und Arian Wendel |