ND 20.05.05Sprachlos aus Gewissensgründen Im zweiten Magdeburger 129a-Prozess droht zehn Linken bis zu sechs Monaten Beugehaft Von Peter Nowak Vor zwei Jahren sorgte ein Verfahren gegen drei Magdeburger Linke bundesweit für Aufsehen. Den Angeklagten wurde Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Im letzten Jahr wurde einer der drei freigesprochen und die beiden anderen zu zweieinhalb bzw. zwei Jahren Haft verurteilt. Gegen weitere Magdeburger Linke wurde ermittelt. Inzwischen gibt es eine Neuauflage des Verfahrens. Ein Urteil war wegen Verfahrensmängeln aufgehoben worden. Ende Mai begann das Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht Halle. Mehrere Angehörige linker Gruppen sind in dem Prozess als Zeugen geladen. Nach langer Debatte haben zehn Betroffene einen Brief unterzeichnet, in dem sie jede Aussage vor Gericht ablehnen. »Wir werden auf keinen Fall Aussagen in diesem Verfahren machen, da wir dies nicht mit unserem Gewissen und unserer politischen Identität vereinbaren können«, heißt es da. Damit riskieren die Unterzeichner Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten. Bei der Verweigerung einer Zeugenaussage kann das Gericht Beugehaft verhängen, um die Aussage zu erzwingen. Gegen Marco H. wurde diese Beugehaft am 26. April verhängt. An diesem Tag war er als Zeuge geladen. Nachdem er die Aussage verweigert hatte, wurde zunächst ein Ordnungsgeld verhängt. Nach einer erneuten erfolglosen Befragung wurde er in Handschellen aus dem Gerichtssaal gebracht. Seitdem ist er in der Justizvollzugsanstalt Halle inhaftiert. Prozessbeteiligung als Solidaritäts-Beweis Der Einwurf des Rechtsanwalts Sven Lindemann, sein Mandant habe ein Recht auf Aussageverweigerung, weil er in der gleichen Sache angeklagt war und sein Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wurde vom Gericht ignoriert. Die Dauer der Inhaftierung wurde zunächst bis 17. Mai terminiert und kann bis zum Ende des Prozesses Ende Juni verlängert werden - wenn die Aussage weiterhin verweigert wird. Das hat Marco H. schon angekündigt. Kommende Woche droht nun weiteren Linken Beugehaft. Dann sind mehrere jener Zeugen vorgeladen, die bereits brieflich ihre Aussageverweigerung angekündigt haben. Die Soligruppe Magdeburg ruft nun für den 24. Mai zu einer regen Prozessbeteiligung auf. Damit könne zwar die Beugehaft nicht verhindert werden, heißt es in der Szene. Aber man könne den Betroffenen so zumindest Solidarität zeigen. Beugehaft wurde schon häufiger gegen aussageunwillige Linke angewendet. Das juristische Instrument wird von liberalen Juristen und Solidaritätsgruppen als Disziplinierungsinstrument kritisiert. »Mit der Beugehaft sollen in erster Linie Aussagen erzwungen werden, es wird aber auch gegen Widerspenstige, bei denen die Ermittler genau wissen, dass sie auch nach Beugehaft keine Aussagen bekommen werden, als Schikane und reine Repressions-Maßnahme genutzt«, erklärt die Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe, die sich ebenfalls an der Magdeburger Solidaritäts-Kampagne beteiligt. Bundesweite Demo im Juni geplant Am 18. Juni ist dann eine bundesweite Demonstration in Magdeburg geplant. Damit soll an die bundesweite Initiative angeknüpft werden, mit der die Szene im Jahr 2003 auf die Verhaftung der drei Magdeburger Linken reagiert hatte. Im Oktober 2003 beteiligten sich 3000 Menschen an einer Demonstration - mehr als erwartet. Nach dem ersten Beugehaft-Fall hat das Interesse an dem Verfahren in Magdeburg nun wieder zugenommen, sagte eine Sprecherin der Soligruppe. www.soligruppe.de |