Telepolis vom 10.3.04Brandbeschleuniger vom Mullah
Peter Nowak Wegen der unkommentierten Veröffentlichung einer Rede des iranischen Revolutionsführers Khamenei wurde der Betreiber einer islamischen Website in Deutschland wegen Volksverhetzung verurteilt Reden, die den Holocaust verharmlosen oder gar leugnen, sind auch dann strafbar, wenn sie von führenden Politikern stammen. Diese Erfahrung [1] musste nun der Webmaster des Internetportals Muslim-Markt [2], Yavuz Özoguz, machen. Weil er eine Rede des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei [3] unkommentiert dokumentierte, wurde er Ende Januar vom Amtsgericht Delmenhorst zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Jetzt wurde die schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht. Der führende Kopf der konservativen Mullahfraktion im Iran, die nach den letzten Parlamentswahlen erneut an Einfluss gewonnen hat, beschäftigte sich in der dokumentierten Rede [4] vom 31.1.2002 sehr eigenwillig mit dem Holocaust und der "Propagandataktik der Israelis". Alle Politiker, alle Journalisten, alle Intellektuelle, alle Offizielle und alle Experten des Westens sollen ihre Köpfe verbeugen, um der Gaskammern zu gedenken. Dabei sollen sie alle einem Märchen beipflichten, dessen Authentizität gar nicht klar ist und sich selbst schuldig fühlen aufgrund dieser Geschichte. Das ist ihre Propagandataktik. Und es beruht alles auf der Vortäuschung von Unschuld. Schon vor zwei Jahren erfolgten die Anzeigen. Zunächst bekam Özoguz, der sich selbst als fundamentalistischen Islamisten bezeichnet, einen Strafbefehl [5] in Höhe von 4000 Euro, gegen den er Widerspruch einlegte. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass das Strafmaß noch erhöht werden könnte. Am 19.1. wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten auf Bewährung verurteilt. Für den Richter stellen die inkriminierten Sätze in der Khamenei-Rede eine Leugnung der Existenz der Gaskammern dar. Er äußerte in der Urteilsbegründung die Befürchtung, dass gewaltbereite Antisemiten das Gedankengut als eine Art "geistigen Brandbeschleuniger" benutzen könnten. Die genannten Äußerungen in der Rede waren vom Angeklagten dazu bestimmt, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung und Verachtung hinaus gehende feindselige Haltung auch gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen, wobei sie über das Internet für eine nach Zahl und Individualität unbestimmten Kreis von Personen unmittelbar wahrnehmbar und damit öffentlich wurden. Der Angeklagte hielt es sogar für seine Aufgabe, die Rede des Imam Khamenei vom 31.01.2002 mit besagten inkriminierten Passagen via Internet einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt zu machen. Diese Handlung war wiederum friedensstörend, da Gefahren geeignet, muss doch befürchtet werden, dass gewaltbereite Antisemiten das Gedankengut als eine Art "geistigen Brandbeschleuniger' aufgreifen. Derartige Äußerungen dienen nicht der Wissenschaft, Forschung oder Lehre, sind auch nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt (BGH in NJW 2001, Seite 626 m. w. N.) Aus der Urteilsbegründung Eine sicherlich nicht grundlose Befürchtung. Schließlich boomt nicht nur die Literatur von Revisionisten und Holocaustleugern [6] im arabischen Raum [7]. Auch die Übersetzungen von Hitlers "Mein Kampf" findet dort immer wieder gute Abnehmer. Die überwiegend dem extrem rechten politischen Spektrum nahestehenden Revisionisten haben schon länger Schwierigkeiten, ihre Thesen straflos im Internet zu verbreiten ( Wachsende Besorgnis über BGH-Urteil gegen Holocaust-Leugner [8]). Dass aber solche Äußerungen auch strafbar sind, wenn sie aus Politikermunde stammen, ist wohl eine Premiere. Zumal Deutschland im Gegensatz etwa zu den USA mit dem Mullahregime in Teheran bisher eine Politik des kritischen Dialogs führte und gute Wirtschaftsbeziehungen pflegte. Ob das Urteil daran etwas ändert, ist noch offen. Zumindest wurde es in Iran wahrgenommen [9]. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Sowohl Yavuz Özoguz, der einen Freispruch forderte, als auch die Staatsanwaltschaft, die eine höhere Strafe fordert, haben Rechtsmittel eingelegt. Sollte es rechtskräftig werden, muss Özoguz auch um seinen Beruf fürchten. Bisher arbeitet er auf dem Spezialgebiet Verfahrenstechnik an der Universität Bremen.
Links
[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/30075 [2] http://www.muslim-markt.de [3] http://www.wilayah.org/ [4] http://info-uebersetzung.de/Artikelabfrage.php?id=60 [5] http://www.muslim-markt.de/justicia/strafbefehl.htm [6] http://www.idgr.de/texte/rechtsextremismus/antisemitismus/antisemitismus -international.php [7] http://www.respectabel.de/infos_rechtsextremismus/analysen/grumkezdk2.ht m [8] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4527/1.html [9] http://www.muslim-markt.de/justicia/kayhan.htm |