ND 07.09.04Wir setzen die Revolution fort Neuer Dokumentarfilm über Venezuela
Von Peter Nowak Dario Azzellini und Oliver Ressler untersuchen in ihrem Film die Veränderungen in Venezuela unter der Ägide von Hugo Chávez aus einer angemessenen Perspektive: von unten. Der deutliche Sieg des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez bei dem von der rechten Opposition erzwungenen Referendum am 15. August wird in vielen Medien mit Demagogie und Populismus des Amtsinhabers erklärt. Wer sich mit solchen einfachen Erklärungen nicht zufrieden geben will, kann sich in einem gut einstündigen Film gründlicher informieren. Die Filmemacher Dario Azzellini und Oliver Ressler lassen Aktivistinnen und Aktivisten der sozialen Bewegungen Venezuelas zu Wort kommen: Arbeiter, die ihre Fabriken besetzt haben, Angehörige indigener Ethnien, die erstmals einklagbare Rechte genießen, Bauern, die ihr Land kollektiv bearbeiten, Mitarbeiter linker und alternativer Medien. Sie alle berichten in »Venezuela von unten« wie sich nach dem Amtsantritt von Chávez die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit verändert haben. Die neue bolivarianische Verfassung Venezuelas erhebt die Einbindung breiter Bevölkerungskreise in den gesellschaftlichen Umbau zur Maxime. Davon profitieren die Menschen, die sich an ihren Arbeitsplätzen oder an ihren Wohnorten zusammengeschlossen haben. Wie etwa die Bewohner des Stadtteils 23 de Enero, mitten in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Schon seit Jahrzehnten gilt dieses Barrio als Hochburg der Linken. Das ist normalerweise kein Ort für Journalisten. Doch das Filmemacherduo fühlt sich offensichtlich gerade dort in seinem Element. Aktivisten der Stadtteilorganisation Coordinadora Símon Bolívar holen sie ebenso vor die Kamera wie Angehörige der Revolutionären Bewegung Tupamaro, die die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausschließen wollen. Aber auch nachdenklich gewordene Angehörige des Machtkartells, das jahrzehntelang in Venezuela herrschte, kommen in dem Film zu Wort. Sie haben sich in dem Bündnis »Mittelstand positiv« zusammengeschlossen und werben für ein strategisches Bündnis zwischen dem Mittelstand und den Armen, die sich mehrheitlich von Chávez vertreten fühlen. Es ist wahrscheinlich, dass der moderate Flügel der Unternehmerschaft nach der erneuten Niederlage der rechten Opposition wachsen wird. Dadurch würde die Position von Chávez gestärkt. Den Präsidenten selbst lassen die Filmemacher allerdings ganz bewusst nicht auftauchen. Nur kurz sind einige seiner Wahlplakate zu sehen. Dennoch ist der ehemalige Fallschirmspringer die zentrale Figur der Dokumentation. »Chávez hat uns die Augen geöffnet. Er hat uns Mut gegeben«. Diese Erklärungen hört man immer wieder von den Interviewten. Vereinzelt sind auch schon selbstbewusstere Statements zu vernehmen. »Wir setzen die Revolution fort - mit oder ohne Chàvez«. Venezuela von unten, 2004, 67 min., ein Video von Dario Azzellini und Oliver Ressler. Der Film läuft zur Zeit im Berliner Lichtblickkino (www.lichtblick-kino.org) |