ND 09.07.04»Nahostkonflikt« in Kreuzberg In Berlin richtet sich eine Demo gegen Antisemitismus von links
Von Peter Nowak
»Gegen den antizionistischen Konsens« lautet das Motto einer Demonstration, die am Samstag durch den Berliner Szene-Kiez Kreuzberg führen soll. Anlass ist nicht nur der Protest gegen als antisemitisch kritisierte Attacken - sondern auch ein Grundsatzstreit innerhalb der radikalen Linken. Im Berliner Stadtteil Kreuzberg vergeht kein Wochenende ohne eine Demonstration. Doch am kommenden Samstag dürfte selbst der protesterprobte Kiez eine Premiere erleben. Unter dem Motto »Gegen den antizionistischen Konsens - Schluss mit der antisemitischen Gewalt in Kreuzberg und Neukölln« will ein Bündnis von antideutschen und antifaschistischen Gruppierungen an diesem Tag auf die Straße gehen. Im Visier sind nicht rechte Gruppen, sondern jeder »öffentlich propagierte Juden- bzw. Israel-Hass, sei es im autonomen Zentrum oder im Al-Aqsa-Café, in der Moschee oder in der evangelischen Kirche«, heißt es im Aufruf. Damit dürfte der Streit um die Deutungshoheit des Nahostkonflikts in der deutschen Linken einen neuen Höhepunkt erreichen. Auf der einen Seite steht eine kleine Minderheit, die jede Kritik an der israelischen Regierungspolitik als antisemitisch bekämpft. Auf der anderen Seite stehen Gruppen, die ebenso bedingungslos den Kampf der Palästinenser abfeiern und in Parolen die Intifada hochleben lassen. »Zionistenfreunde« und »Antisemiten« sind die Schimpfworte, mit denen sich die Protagonisten gegenseitig titulierten. Doch seit einigen Wochen bleibt es nicht mehr bei verbalen Rempeleien. Faustschläge gegen Israel-Solidarität Ende Januar wurden auf einer antifaschistischen Demonstration in Hamburg mit Israel solidarische Teilnehmer mit Faustschlägen vertrieben. Hinterher stritt man sich auf linken Internetforen darüber, wer mit den Auseinandersetzungen begonnen hat. Am 30. Mai gerieten sich die Israel- und die Palästinafreunde dann beim Berliner Karneval der Kulturen erneut in die Haare. Wieder ist die Schuldfrage Gegenstand heftiger Federfehden. Während die einen von einer »Messerattacke auf Antifas« sprechen, meint die andere Seite einen »reaktionär/zionistischen Überfall« gesehen zu haben. In beiden Stellungnahmen wurde allerdings betont, dass man unabhängig von der Deutung des Nahostkonflikts, die Inkaufnahme von Schwerverletzten oder gar Toten ablehne. Jetzt hoffen viele Linke, dass dieser Grundsatz bei Unterstützern und Gegnern der Kreuzberger Demonstration am Samstag zum Tragen kommen wird. Einige an der geplanten Demoroute wohnende Migranten werfen dem Demobündnis Rassismus vor und wollen friedlich ihren Protest ausdrücken. »Wir werden wieder mal zum Sündenbock für eine innerlinke Diskussion gemacht«, so ein arabischer Ladenbesitzer. Treffpunkt zur Demonstration am Samstag ist um 14 Uhr der Hermannplatz (U-Bahn Linien 7 und 8) |