ND 24.09.04Wer und wo ist ein Terrorist? »Der Krieg gegen den Westen« - Buchpremiere in Berlin mit Autor Danesch und Erstleser Gysi
Von Peter Nowak Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein Selbstmordattentat oder eine Geiselnahme zu vermelden ist. Politiker, Wissenschaftler, Publizisten diskutieren das »Phänomen« tagein tagaus. Eine Publikation nach der anderen erscheint zum Thema. Am gestrigen Donnerstag wurde im Berliner Büro des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ein neues Werk präsentiert, verfasst von Mostafa Danesch, erstgelesen von Gregor Gysi. »Der islamistische Terror hat dem Westen den Krieg erklärt. Der erste internationale Konflikt des 21. Jahrhunderts wird nicht nur in New York und Washington, im Irak und in Afghanistan ausgetragen. Spätestens seit den Anschlägen von Madrid dämmert es den Europäern: Der >Heilige Krieg< richtet sich gegen die gesamte >Welt der Ungläubigen<.«. Wer diese doch recht martialische Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Buches liest, wird vielleicht zunächst denken, hier hätte ein Befürworter des Krieges gegen Irak in die Tasten gegriffen. Doch weit gefehlt. Dies sind nur die üblichen markigen Worte, von denen sich jeder Verlag Verkaufsförderung verspricht. Und diesem Diktum musste sich wohl auch Autor Mostafa Danesch fügen. Der gebürtige Iraner lebt seit 1965 in Deutschland und bereiste nach eigenen Angaben seit 1979 ca. 70 Mal Afghanistan. Er gehörte zu jener kleinen Schar Intellektueller in der Bundesrepublik, die nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan keine vorschnellen, demagogischen Urteile abgaben. Im Gegenteil, er vermittelte einen Einblick in die schwierigen Umwälzungsprozesse, die die damaligen linken Regierungen in Afghanistan zu initiieren versuchten: Land- und Bildungsreform, Gleichberechtigung der Frauen etc. Zu einer Zeit, als es von den Grünen bis hin zur CDU einen parteiübergreifenden Konsens gegeben hatte, dass die Islamisten, die damals gegen die Kabuler Linksregierung und die sie unterstützenden Sowjettruppen kämpften, Freiheitshelden seien, konnte Danesch seine Analysen nur in kleinen linken Medien unterbringen. Heute schreibt er für die »Zeit«, »Die Welt«, den »Spiegel« und die »Neue Züricher Zeitung«. Er ist ein gefragter Experte. Und auch zur Buchpräsentation war der Saal gut gefüllt. Als Diskutanten hatte der Verlag neben Gregor Gysi auch den Ex-Staatssekretär Willy Wimmer gewinnen können. Der vom Veranstalter als »CDU-Rebell« Eingeführte konnte sich freilich Wahlkampf für die Seinen nicht verkneifen: Die Bundesregierung habe der Bundeswehr sowohl in Afghanistan als auch in Kosovo keine klaren Entscheidungsbefugnisse gegeben. So dürften die Truppen in Afghanistan nicht gegen den Drogenhandel vorgehen, wiederholte er seine Kritik, die er bereits mehrfach im Parlament und in Interviews artikuliert hatte. Erfreulich, dass er ein weiteres Mal seine Ablehnung des Irakkrieges bekräftigte, wobei er den UNO-Generalsekretär Kofi Annan zitierte: »Der Irakkrieg ist illegal.« Mit der Bemerkung, es sei verwunderlich, wer heute alles den freien Westen verteidige, gab Wimmer das Wort an Gysi ab. Dieser parierte mit der Erklärung, er habe es als Bereicherung empfunden, Wimmer kennen gelernt zu haben und hoffe, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Womit er die Lacher auf seiner Seite hatte. Sodann stellte der PDS-Politiker ernst, exakt und knapp die Thesen des Buches von Danesch vor und lobte den Autor als exzellenten Kenner der Situation in Afghanistan, Iran und Irak. Außerdem sei dieser ein »großer Dialektiker«. So habe Danesch zwar den Aggressionsakt der USA gegen Irak vehement abgelehnt, warne aber jetzt auch vor einem zu raschen Abzug der Koalitionstruppen aus dem Land. Schließlich folgte noch eine kleine Kritik: Etwas zu allgemein sind nach Gysis Befinden die vom Autor gebotenen Lösungsvorschläge. Auffallend war, dass der PDS-Politiker nicht die Passagen des Buches problematisierte, in denen Danesch ein Plädoyer für ein starkes Europa in Abgrenzung zu den USA abgibt. Schließlich referierte Danesch selbst. Er verwahre sich dagegen, dass der afghanische Präsident Karsai als demokratische Lichtgestalt gefeiert werde, wie dies nicht nur in Deutschland geschehe. Jener sei in erster Linie ein Stammesvertreter der Paschtunen, der auch mit Hilfe der Taliban die Macht behaupten wolle, wie die Freilassung einiger Taliban-Politiker in der vergangenen Woche bezeuge. Noch vor einigen Monaten habe Danesch selbst mit jenen gesprochen. Sie seien weiterhin fanatische Islamisten. Eine wirkliche Debatte - wie sie sich eigentlich jeder Veranstalter einer Podiumsdiskussion erhofft - entspann sich erst, als Danasch bemerkte, die USA hätten in Irak zwar eine 40-jährige Diktatur beseitigt, aber gleichzeitig ein 1400 Jahre altes Machtgefüge zerstört. Die Vorherrschaft der Sunniten sei beendet worden, aber in das Vakuum stießen jetzt die Schiiten, die nicht nur ideologisch, sondern auch personell von Iran protegiert würden. Die USA hätten mit ihrer eingeschränkten Logik diese Zusammenhänge nicht begriffen. Einige Teilnehmer aus dem arabischen Raum erhoben daraufhin Widerspruch: Dies könne als Kulturrelativismus gedeutet werden. Eine Position, die Danesch in der Folge durchaus teilte. So kritisierte er Bundesinnenminister Otto Schily, der die Muslime in Deutschland aufgefordert hat, gegen den Terror der Dschihaddisten auf die Straße zu gehen. Danesch betonte, er würde sich nicht derart zwangsrekrutieren lassen. Es gelte, als Demokrat Position zu beziehen. Ein Engagement, das indes von der Bundesregierung nicht immer erwünscht sei. Diese Erfahrung hatte er gemacht, als er gegen den Besuch des »oft fälschlich als Reformer« bezeichneten iranischen Präsidenten Chatami protestierte. Sogleich war er in die Nähe der Terroristen gerückt worden. Tja, wer und wo ist ein Terrorist?
Mostafa Danesch: Der Krieg gegen den Westen. Hoffman und Campe, Hamburg. 256S., geb., 17,95 EUR. |