ND 27.04.04Die kleine Volksuni »Kulturkonferenz Gegenöffentlichkeit« - am Wochenende in der Universität der Künste Berlin Von Peter Nowak
Zu den Trägern der Veranstaltung gehörten neben der Hellen Panke, dem globalisierungskritischen Netzwerk attac auch die Tageszeitungen Neues Deutschland und junge Welt. Spiritus Rector der Veranstaltung war der langjährige Kulturmanager aus Frankfurt Main und zeitweilige Stellvertretende Vorsitzende der PDS Diether Dehm. Er hatte für die Konferenz seine guten Kontakte ins kulturelle und politische Milieu spielen lassen. Dehms langjähriger Freund Manfred Maurenbrecher war ebenso vertreten, wie der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete und Solarexperte Hermann Scheer und der Theatermacher Peter Sodann. Die Publizistin Sabine Kebir moderierte eine Arbeitsgruppe und der emeritierte Philosophieprofessor Fritz Haug redete über den pluralen Marxismus. Seine erstaunlich gut frequentierte Arbeitsgruppe bekam sogar noch Überraschungsbesuch von Volker Braun. Am Sonntag gab sich dann noch der Liedermacher und Dehm-Freund Konstantin Wecker die Ehre. Große Namen fürwahr, und alles Personen, die auf ihrem Gebiet durchaus engagiert sind. Mit ihnen hätte man sicher die einst sehr berühmten Volks-Unis wieder beleben können, die von Fritz und Frigga Haug bis in die 90er mit vielen anderen organisiert wurden. Was die eingeladenen Politiker und Künstler mit Gegenöffentlichkeit zu tun haben, blieb schon bei der Auftaktdiskussionsveranstaltung am Freitagabend strittig. Hermann Scheer ist sicher in der SPD in vielen Fragen ein Einzelkämpfer und Konstantin Wecker hat sich schon mit seiner Hymne »Willi« auf die Seite derer gestellt, die ihren eigenen Kopf gebrauchen. Doch ob man den etablierten Politiker und den bekannten Künstler dann gleich in die Schublade Gegenöffentlichkeit stecken sollte, ist doch fraglich. Zumindest müsste erst mal geklärt werden, was denn im Zeitalter des Internets Gegenöffentlichkeit überhaupt ist und was sie für wen bedeutet. Diese Unklarheit hat sicherlich auch zu der bescheidenen Teilnehmerzahl beigetragen. Der Konferenz fehlte die Öffentlichkeit. Besonders Jugendliche waren spärlich vertreten. Das hatte auch Auswirkungen auf das Programm. So wurde die für den Freitagabend geplante lange Filmnacht stark gekürzt. Dabei ist Gegenöffentlichkeit gerade bei politisch aktiven Jugendlichen durchaus populär. Sie verstehen darunter aber eher das Internetnetzwerk Indymedia als Konstantin Wecker oder engagierte Musik aus Lateinamerika. In den Arbeitsgruppen am Samstag wären sicher auch sie auf ihre Kosten gekommen. Die unterschiedlichen Referenten hätten ein größeres Publikum verdient. So untersuchten drei Mitglieder von Kulturattac den Begriff der Gegenöffentlichkeit in seiner historischen Entwicklung. Studentische Aktivisten berichteten über ihre Erfahrungen vom letzten Hochschulstreik. Die Aufmerksamkeit der Medien war den Studierenden zumindest in den ersten Wochen sicher. Doch eine hohe Medienpräsenz kann für die Streikenden auch unerwartete Folgen haben. So solidarisierte sich die Berliner Bank vor laufenden Kameras medienwirksam mit den Anliegen der protestierenden Kommilitonen. Die hatten das Gebäude der Berliner Bank besetzt, um auf den Berliner Bankenskandal und die Folgen aufmerksam zu machen. Es war ein hartes Stück Arbeit mit einem radikalen Forderungskatalog den Eindruck zu verwischen, dass sich Protestierende und Bank einig sind, berichteten die studentischen Aktivisten Ingo Barz und Alex Rabe. Über das Internet, heute eines der wichtigsten Medien der Gegenöffentlichkeit, verbreitete sich das Mitglied des Attac-Koordinierungskreises Oliver Moldenhauer. Er verschweigt nicht, dass Fragen der Netzdemokratie in seiner Organisation bisher nur von einer Minderheit, die sich in der AG »Wissensallmende und Freier Informationsfluss« zusammen geschlossen hat, thematisiert werden. Mit ihrer Utopie einer virtuellen Wissensallmende greifen sie auf einen Begriff aus dem Mittelalter zurück. Allmende war der Begriff für das Weideland, das von allen Tieren kostenlos abgegrast werden konnte. Als eine solche begreifen sie auch das Internet. Dass der Trend im Zeitalter von neuen Copyright-Richtlinien und verstärkter Repression gegen Musikkopierer in eine andere Richtung geht, weiß natürlich auch Moldenhauer. An zwei Punkten allerdings lieferte er konkrete Gegenmodelle, die sicher noch heftig diskutiert werden. Ab Herbst will Attac die Software für eine weiterentwickelte Online-Demonstration ins Netz stellen. Statt wie bisher per Mausklick eine Protestmail zu verschicken oder eine Unterschrift zu leisten, soll der Internetnutzer dann auch sein Bild ins Netz stellen können, um seinen virtuellen Protest zu dokumentieren. Die Gefahr einer weiteren Entpolitisierung sieht Moldenhauer in diesen virtuellen Demonstration nicht.Man wolle Menschen ansprechen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zu Straßenprotesten bereit sind. Ein weiterer Vorschlag betrifft die Kontrolle von politisch wichtigen Domains. So hat der Stadtstaat Hamburg bereits nach dem Vorbild des Rundfunkrates einen Domainbeirat gegründet. Für Moldenhauer könnte dieses Pilotprojekt durchaus ausgeweitet werden. Dabei muss man sich natürlich die Frage stellen, ob ein solcher Beirat wirkliche Mitspracherechte hat oder nur dekoratives Beiwerk ist. Margarita Tsomou stellte eine Europäische Künstlerinitiative vor, die zum nächsten Europäischen Sozialforum Mitte Oktober in London mit einem eigenen Programm unentgeltlich auftreten soll. Dabei will man bekannte Namen wie Radiohead ebenso gewinnen wie unbekannte Localacts. Dass gerade sie manchmal die Stimmung heben können, zeigte sich am Samstagabend. Da wurde die im Programm nicht angekündigte Band der studentischen Mahnwache vor dem Roten Rathaus angekündigt. Im Nu zogen die aus einem Rapper, zwei Althippies und mehreren weiteren Musikern bestehende Band, das von der Konferenz ermüdete Publikum in seinen Bann. In diesem Moment wurde Gegenöffentlichkeit konkret erfahrbar. |