Telepolis11.10.2004 Kopftuchverbot Lehrerinnen und Nonnen
Peter Nowak Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann es für das sogenannte Kopftuchverbot in Baden-Württemberg keine Ausnahmen geben Monatelange wurde über das Kopftuchverbot für islamische Lehrer und Schüler an deutschen Schulen gestritten. Ein erst jetzt bekannt gewordenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes könnte der Debatte eine neue Wendung geben. Der Schuss ist nach hinten losgegangen. In einer Entscheidung zum in Baden-Württemberg gültigem Kopftuchverbot kommen die Richter zu dem Schluss, wie der Spiegel berichtete [1], dass das Verbot religiöser Bekleidung auch für Nonnen gelte. Nachdem der aus Afghanistan stammenden, 1995 eingebürgerten Fereshta Ludin [2] eine Einstellung in den Schuldienst von Baden-Württemberg als Beamtin auf Probe mit der Begründung 1998 verweigert wurde, weil sie auch während des Unterrichts auf das Tragen des Kopftuchs nicht verzichten wollte, zog sie vor Gericht. Baden-Württembergs Landesregierung hatte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April daraufhin ein Kopftuchgesetz verabschiedet, das dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung vorlag. Das Verbot religiöser Bekundungen müsse auf Grund des Gesetzes in Baden-Württemberg für alle Religionen gelten, urteilte das Gericht. "Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter Kleidung in bestimmten Regionen kommen daher nicht in Betracht," heißt es in der Urteilsbegründung. "Volkes Stimme" meldete sich sofort mit massiver Richterschelte zu Wort. Da wurde schon von einem Anschlag auf das Heimatgefühl schwadroniert [3]. Erinnerungen an das Kruzifix-Urteil von 1995 [4] werden wach. Auch damals sahen konservative Politiker und Medien das Abendland in Gefahr, als ein Gericht entschied, dass Kreuze aus den Klassenräumen zu entfernen seien, wenn sich Eltern dagegen wehren. Doch praktische Auswirkungen hatte das Urteil bis heute kaum. Auch nach dem Leipziger Richterspruch ist kaum zu erwarten, dass sich Nonnen jetzt zwischen ihrem Ornat und der Quittierung ihres Dienstes entscheiden müssen . Der Tübinger Rechtsprofessor und Autor des Kopftuchgesetzes von Baden-Württemberg Ferdinand Kirchhof [5] zählt den Nonnenornat zur Berufskleidung, die er deshalb von dem Verbot, im Unterricht religiöse Kleidung zu tragen, ausnehmen will. Dabei hat Kirchhof als Vertreter des Landes Baden-Württemberg vor den Leipziger Richtern auch erklärt [6], das Tragen des Kopftuches während der Dienstzeit sei mit dem an einer Schule zwingend gültigen Neutralitätsgebot unvereinbar sei. "Je offener eine Gesellschaft desto strikter muss sich der Staat neutral verhalten." Dieses Statement von Kirchhof könnte auch in Kurzform das Urteil, das ihm nun so gar nicht passt, zusammen gefasst werden. Besonders gespannt darf man auf Reaktionen aus der Hessischen Landesregierung auf das Leipziger Urteil sein. Hat doch der hessische Landtag mit der CDU-Mehrheit kürzlich ein Kopftuchverbot beschlossen [7], das weit über das Gesetz aus Baden-Württemberg hinausgeht. Dort wurde neben Lehrern auch allen Beamten das Tragen von Kopftüchern mit der Begründung untersagt, das Kleidungsstück symbolisiere den fundamentalistischen Gottesstaat und stehe damit im Widerspruch zur besonderen Treuepflicht gegenüber Staat und Verfassung. Schon bei der Debatte über das Gesetz im hessischen Landtag äußerten Abgeordnete der Oppositionsparteien rechtliche Bedenken gegen das Gesetz. Die wurden selbst von Befürwortern eines Kopftuchverbotes [8] unterstützt. Das Leipziger Urteil dürfte die Position der hessischen Landesregierung, eine Religionszugehörigkeit allein quasi unter den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit zu stellen, noch mehr unterminieren . Gestärkt sind aber all jene, die die Trennung von Schule und Religion für einen längst überfälligen Schritt in einem säkularen Staat halten und daher der Überzeugung sind, dass religiöse Symbole allgemein nicht in Schulen gehören. Fereshta Ludin hat inzwischen mitgeteilt [9], dass sie gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr vor das Bundesverfassungsgericht gehen werde. Sie wolle sich jetzt nicht mehr mit "gerichtlichen Auseinandersetzungen" belasten.
Links
[1] http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,322384,00.html [2] http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/810953 [3] http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/meinung/87,330385.html [4] http://www.kanzlei.de/kruzi3.htm [5] http://www.jura.uni-tuebingen.de/kirchhof/ [6] http://www.welt.de/data/2004/06/25/296190.html [7] http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=427833.htm [8] http://www.fdp-hessen.de/ff742f9ec5.html [9] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID3687834_REF2,00.htm |