ND 26.08.04Das verflixte siebte Jahr Die Wochenzeitung »Jungle World« ringt um ihre Existenz
Von Peter Nowak Fast alle linken Medien kennen das Problem. Die Auflage ist gering. Jeder größere Einbruch bei den Abonnentenzahlen stellt die Existenz des Projekts insgesamt in Frage. Deshalb werden in unregelmäßiger Folge Abokampagnen gestartet. Die Berliner Wochenzeitung »Jungle World« wollte sich daran eigentlich nie beteiligen. Um so überraschter waren viele Leser, als sie einen Blick auf der Rückseite der Ausgabe 35 vom 18. August warfen. Statt der für die Seite vorgesehenen Comics fanden sie dort eine große Benzinanzeige, deren Zeiger sich im roten Bereich befanden. »Der Tank ist fast leer. Die Jungle World braucht 500 neue Abonnentinnen und Abonnenten bis zum Jahresende. Wenn es uns nicht gelingt, ist der Ofen aus«. »Das sind keine leeren Drohungen. Die Zeitung ist existenziell bedroht«, erklärte Geschäftsführer Stefan Rudnick gegenüber ND. Die Aborückgänge der letzten Zeit hätten ein »Weiter so« nicht mehr zugelassen. Die Abbestellungen würden häufig mit zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten begründet. Hier macht sich auch die zunehmend schlechtere finanzielle Situation bei vielen Studierenden und jungen Akademikern bemerkbar, die die größte Zielgruppe der Jungle-World-Leserschaft ausmachen. Daneben spielen allerdings auch politische Gründe bei der Krise der Wochenzeitung eine Rolle. Entstanden ist sie 1997 nach einer Spaltung des Redaktionsteams der Tageszeitung »junge Welt«. Damit endete ein knapp zwei Jahre andauerndes Experiment, in einer Zeitung unterschiedliche politische Positionen aus Ost und West unter einem Dach zu vereinen. Nach der mit gegenseitigen Schuldzuweisungen verbundenen Trennung gab es unter dem Jungle World-Team eine regelrechte Aufbruchsstimmung. Statt einer stromlinienförmigen Linienzeitung sollten im linken Meinungsdschungel tausend Blumen blühen. Passend dazu wurden die ersten Ausgaben mangels eigener Redaktion in einer Wohngemeinschaft in Berlin-Kreuzberg produziert, in der zwei Jahrzehnte zuvor die linke Kultband Ton-Steine-Scherben ihr Domizil hatte. Doch unter den Mühen des allwöchentlichen Zeitungsmachens zerstoben manche Träume der Gründungsphase. »Als die Jungle World entstand, sehnte sich die Linke nach einem pluralistischen Zeitungsprojekt, in dem kontroverse Debatten angestoßen, zugespitzt und ausdiskutiert wurden. Inzwischen hat sich die Linke derart polarisiert und zerstritten, dass immer weniger Bedürfnis zu bestehen scheint, sich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen«, beschreibt eine Berliner Solidaritätsinitiative die Veränderungen der letzten Jahre. Vor allem die Auseinandersetzung um die richtige Positionierung im Nahostkonflikt und die Haltung zum Irak-Krieg haben den Hang zu eindeutigen Bekenntnissen statt kontroverser Diskussion gefördert. »Wir saßen da zwischen allen Stühlen und drohten zerrieben zu werden«, erinnert sich Rudnick. Offene Briefe, in denen Mitarbeiter und Leser ultimativ bestimmte Positionen nicht mehr in der Zeitung lesen wollten und damit drohten, ihre Mitarbeit einzustellen bzw. das Abo zu kündigen, machten die Runde. Jetzt will es die Redaktion noch einmal wissen. Sie wirbt um neue Leser, will aber weiterhin auch die Bewegungen kritisch begleiten und ihnen nicht nach dem Mund reden. Ein Experiment mit offenen Ausgang, meint auch Rudnick. |