ND 05.01.04Geschichtslose Zocker greifen zu Aktionäre des Konzerns wollen mit Hilfe des US-Staranwalts Edward Fagan weiter verdienen Von Peter Nowak
Der bekannte amerikanische Anwalt Edward Fagan hat sich immer wieder als Verteidiger von Gewaltopfern, darunter auch Opfern des deutschen Faschismus, hervorgetan. Nun vertritt er Nachlassverwalter der IG-Farben - des Konzerns, der am Holocaust verdiente. Edward Fagan ist für große Medienauftritte bekannt. Das Feld des Anwalts ist neben dem Gerichtssaal vor allem die Pressekonferenz. In den vergangenen Jahren verstand sich Fagan als Sprecher von Gewaltopfern in aller Welt zu inszenieren. So reichte er Klagen im Namen von Überlebenden des Holocaust und von ehemaligen Zwangsarbeitern ein, ebenso für Opfer der südafrikanischen Apartheid. Auf einer improvisierten Pressekonferenz in Zürich sorgte er nunmehr erneut für Aufsehen, als er der Schweizer Großbank UBS ein Ultimatum stellte. Bis zum 9. Januar soll sich das Unternehmen auf einen Vergleich in Milliardenhöhe einlassen, ansonsten will Fagan in den USA Klage gegen die Bank einreichen. Seine Mandanten sind zwei Nachlassverwalter jener IG Farben, die mit der Produktion von ZyklonB am Massenmord an den europäischen Juden verdient hat und in einem eigenen Konzentrationslager auf dem Gelände des Vernichtungslagers Auschwitz Zwangsarbeiter ausbeutete. Wegen dieser besonders engen Naziverstrickung hatten die Alliierten schon 1945 die Zerschlagung des Konzern verfügt. Doch die »IG-Farben in Auflösung« erwies sich als höchst lebendig. Vergeblich fordern Opferverbände und antifaschistische Gruppen seit Jahrzehnten die Auflösung und die Entschädigung der Opfer mit dem restlichen Vermögen. Am 11.November 2003 schließlich erklärten sich die IG-Farben-Nachfolger für zahlungsunfähig und wurden einem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter unterstellt. Mit dem Konkurs sollen die Entschädigungsforderungen ehemaliger Zwangsarbeiter erledigt sein. Nachdem sich die Nachfolger des Blutkonzerns über 50 Jahre jeder Entschädigung verweigert hatten, ist jetzt schlicht kein Geld mehr dafür vorhanden. Zwei IG-Farben-Aktionäre wollen jedoch weiter an dem Konzern verdienen. Sie haben Fagan damit beauftragt, das in der Schweiz deponierte Vermögen der ehemaligen IG-Farbentochter IG-Chemie einzutreiben, die 1945 in Interhandel umbenannt wurde. In der Nazizeit hat die IG-Farben das Vermögen zahlreicher Tochterfirmen in diese Filiale eingebracht, die 1942 von den USA als feindliches Vermögen beschlagnahmt wurde. Mit dem Verweis, es habe sich um eine Schweizer Firma gehandelt und die Beschlagnahme sei daher unrechtmäßig gewesen, erhielt Interhandel 1965 eine Entschädigung von 122 Millionen Dollar. Diese Summe, die mittlerweile 1,8 Milliarden Euro entspricht, hätte aber der IG-Farben zugestanden, erklärte Fagan auf der Pressekonferenz in Zürich. Dokumente aus den Archiven der DDR und der UdSSR würden beweisen, dass die IG-Farben den Einfluss auf Interhandel niemals aufgegeben hat, so der Anwalt. Bei den Kritischen Aktionären ist die Empörung über diese juristischen Attacken groß. Die Kläger seien »geschichtslose Zocker mit perfiden Methoden«, heißt es in einer Pressemitteilung der Vereinigung Kritischer Aktionäre. Dort wird auch auf die Erklärung des Ehrenpräsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees Kurt Goldstein verwiesen: »Das Vermögen der ehemaligen I.G. Farben-Tochter Interhandel gehört moralisch den überlebenden Zwangsarbeitern, denn sie sind die wichtigsten Gläubiger des Konzerns.« Laut dem Schweizer Wirtschaftsdienst Tiscali wollen auch Fagans Mandanten einen Teil des eingeklagten Vermögens den Opfern der IG-Farben zukommen lassen. Eine Taktik, die der Schweizer Publizist Shraga Elam schon 1999 kritisierte. »Um an >verschweizertes< Nazivermögen zu kommen, suchen die IG-Erben nun jüdische >Verbündete<«, schrieb er damals in der Wochenzeitung »Jungle World«. |