ND 22.10.04Mehr als nur darüber reden Handlungsbedarf vor Ort: Aktionswochen gegen Antisemitismus
Von Peter Nowak Mit Veranstaltungen zu alten und neuen Formen des Antisemitismus wollen die Amadeu-Antonio-Stiftung und deren Partner im Rahmen von Aktionswochen auf die wachsende Bedrohung von Juden und jüdischen Einrichtungen aufmerksam machen. »Sharon ins KZ, Juden raus« - Parolen wie diese auf einer Parkbank in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern sind keine Ausnahme in Deutschland im Jahr 2004. Anlässlich des 66. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November, wollen über 50 zivilgesellschaftliche Initiativen aus Ostdeutschland mit überregionalen Aktionswochen dem Antisemitismus Paroli bieten. »Es ist wichtig, über alte und neue Formen von Antisemitismus zu reden - noch wichtiger ist es, dagegen etwas zu tun«, betonte die Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane. Steffen Andersch vom Alternativen Kulturzentrum Dessau, dass sich an den Aktionswochen beteiligt, verweist auf einen Vorfall in Halle. Dort waren als Erinnerung an die in der Nazizeit deportieren Juden Stolpersteine in der Innenstadt ausgelegt worden. »Keine 24 Stunden später waren sie restlos entfernt und die Neonaziszene freute sich«, so Andersch. Kurze Zeit später wurde ein jüdisches Gebetshaus in Gardelegen mit Hakenkreuzen besprüht. Die Dessauer Initiative will sich im Rahmen der Aktionswoche auch mit dem Umgang mit Juden in der DDR auseinander setzen. Die Fragestellung »War die DDR judenfeindlich?« dürfte sicher für lebhafte Diskussion sorgen. Eine weitere Veranstaltung wird sich antisemitischen Stereotypen in der islamistischen Religion widmen. Dieser Themenbereich soll einen der Schwerpunkte der Aktionswoche bilden. Matthias Hippler von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus will sich mit pädagogischen Angeboten vor allem an Jugendliche aus Migranten-Familien wenden. Außerdem soll mit Kreuzberger Schülern die Frage diskutiert werden, welche Bedeutung die Auseinandersetzung mit Antisemitismus für Jugendliche mit Migrationshintergrund hat. Kahane betont, dass auch für Jugendliche aus anderen Kulturen, die hier leben, ein gemeinsames Geschichtsbild von großer Bedeutung ist. Oft tauchen vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts antisemitische Stereotypen auf. Dabei gibt es für Kahane eindeutige Kriterien, wo legitime Kritik an Israel in Antisemitismus umschlägt: »Wo das Existenzrecht des Staates Israel geleugnet wird, wo eine Gleichsetzung zwischen Israel und den Nationalsozialismus praktiziert wird, wo jüdische Menschen für die israelische Politik verantwortlich gemacht werden, beginnt der Antisemitismus.« Die Aktionswochen erstrecken sich nur auf ostdeutsche Bundesländer, obwohl der Antisemitismus auch in den Alt-Bundesländern virulent ist, wie nicht nur der Fall Hohmann zeigt. Im Westen gibt es bisher aber kein zivilgesellschaftliche Netzwerk, das solch ein Projekt trägt. Vielleicht könnte der Westen hier einmal vom Osten lernen. |