telepolis vom 11.08.2003 Antirassismus abgeräumt
Peter Nowak
Am vergangenen Samstag erlebte Köln einen der größten Polizeieinsätze in der jüngeren Geschichte der Rheinmetropole Mehr als 2.500 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet umzingelten ein antirassistisches Grenzcamp [1], zu dem sich mehr als 600 Teilnehmer in der letzten Woche in den Kölner Rheinwiesen getroffen hatten. Über 300 Personen wurden nach stundenlanger Einkesselung zur erkennungsdienstlichen Behandlung in die Polizeisammelstellte Brühl transportiert. Weil die bald überfüllt war, wurden die letzten 50 Personen direkt am Camp fotografiert Am Sonntagmorgen waren alle Festgenommenen wieder auf freiem Fuß. Die Pressestelle der Polizei [2] begründete die Maßnahme mit einer Reihe von Straftaten [3], die in der letzten Woche vom Camp ausgegangen seien. In den letzten Tagen hatten die Campteilnehmer gegen verschiedene Einrichtungen in Köln und Umgebung protestiert, die in ihrer Meinung nach zur Ausgrenzung von Flüchtlingen beitragen. Dazu gehörte das Ausländerzentralregister [4] in Köln, in dem die Dateien sämtlicher Menschen gesammelt werden, die in Deutschland Asyl beantragt haben. Am Düsseldorfer Flughafen wurde die zwangsweise Abschiebung von Flüchtlingen thematisiert. Ebenfalls kritisiert wurde die Praxis der Internationalen Organisation für Migration ( IOM [5]) eine weltweit agierende Nichtregionsorganisation, deren Ziel die möglichst reibungslose, aber nicht immer ganz freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen in ehemalige Krisengebiete ist. Die Mehrzahl der Aktionen war frech, aber friedlich. Deswegen sorgte die Räumung des Camps kurz vor dem regulären Ende für Widerspruch. Die Pressegruppe des Camps sprach von einer Kriminalisierung der antirassistischen Bewegung und verwies darauf, dass Neonazis in den letzten Tagen gleich zwei Demonstrationen zur sofortigen Schließung des Camps initiiert hatten. Die grüne Landtagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Düsseldorfer Landtags, Edith Müller, will die Polizeiaktion im Landesparlament thematisieren. "Es ist schwierig, die Verhältnismäßigkeit hier zu erkennen", sagte die Politikerin, die sich vor der Räumung auf dem Campgelände aufhalten und um eine Deeskalation bemüht hatte. Schon nach der Einkesselung gab es die ersten Solidaritätsaktionen für die antirassistischen Camper. In mehreren Städten kam es zu Spontandemonstrationen [6]. In Berlin wurde ein Ersatzcamp aufgebaut. Dazu beigetragen hat die kontinuierliche Informationsarbeit, die von alternativen Medien wie Indymedia [7] oder dem Videomagazin Kanal B [8] in den letzten Tagen geleistet wurde. Die Polizei reagierte darauf auf ihre Weise, indem sie am Samstag zweimal den ISDN-Anschluss ins Camp kappte.
Links [1] http://public.nadir.org/camp03 [2] http://www.polizei.nrw.de/koeln [3] http://www.polizeipresse.de/p_story.htx?nr=470766 [4] http://www.datenschutz.in-berlin.de/azr.html [5] http://www.iom.int/ [6] http://public.nadir.org/camp03/ [7] http://www.de.indymedia.org [8] http://kanalb.de/index.php3 |