Neuen Deutschland vom 23.6.03Glücklich ohne Arbeitsplatz? Initiative kritisiert den Zwang zur Lohnarbeit
Unter dem Motto »Terror der Arbeit - Zur Kritik der autoritären Arbeitsgesellschaft« veranstaltet die Initiative »Anders arbeiten oder gar nicht« am heutigen Montag in Berlin eine Debatte. Mit Robert Ulmer, Mitglied der Initiative, sprach ND-Autor Peter Nowak.
ND: Welches Ziel hat »Anders-Arbeiten«? 1999 hatten wir unter dem Titel »Anders arbeiten - oder gar nicht« an der Berliner Humboldt-Universität einen großen Kongress organisiert. Wir wollten damit Alternativen zur Arbeitsgesellschaft jenseits von Markt und Staat erarbeiten und sie als realpolitische Verbesserungsvorschläge an die damals noch neue rot-grüne Bundesregierung herantragen. Nach dem Kongress debattierten wir weiter, so auf einem monatlichen Plenum, regelmäßig über die Alternativen zur Arbeitsgesellschaft und planen weitere Aktivitäten. In unregelmäßigen Abständen gibt es so Veranstaltungen zur Thematik.
ND: Die heutige steht unter dem Titel »Terror der Arbeit - Zur Kritik an der autoritären Arbeitsgesellschaft«. Was ist dort zu erwarten? Drei Referenten werden den Arbeitswahn hinterfragen. Harald Rhein vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum und dortigen Anti-Hartz-Bündnis aktiv wird sich schwerpunktmäßig mit dem aktuellen Sozialabbau und der politischen Opposition dagegen beschäftigen. Ernst Lohoff von der Krisis-Gruppe will die kapitalistische Kritik an der Arbeit mit einer Kritik an der Lohnarbeit verbinden. Die dritte Position wird von Guillaume Paoli von den »Glücklichen Arbeitslosen« vertreten. Ihm geht es vor allem darum, gegen die Unterwerfungsrituale unter die Lohnarbeit anzugehen. Als eine Art PR-Gag hatten wir noch die Fernsehmoderation Sabine Christiansen eingeladen, in einem fünfminütigen Statement die Mainstream-Haltung für mehr Arbeiten vorzutragen. Christiansen hat darauf erwartungsgemäß nicht reagiert.
ND: Fehlt da nicht jemand, der die nicht nur gewerkschaftliche Forderung nach einem Recht auf Arbeit vertritt? Es geht uns um eine Kritik daran, dass das »Recht auf Arbeit« in Form von immer mehr Zwang zur Arbeit umgesetzt wird. In dem Sinne haben wir auch die Referenten eingeladen. Es gibt in unserer Initiative allerdings durchaus unterschiedliche Auffassungen über den Stellenwert der Arbeit, so die Position, jede sinnvolle Tätigkeit Arbeit zu nennen und dadurch aufzuwerten. Demgegenüber steht die Haltung, Arbeit als gesellschaftliches Zwangsverhältnis generell abzulehnen. Wir werden daher auch in Zukunft weiterhin Veranstaltungen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung machen und dazu sicher auch Referenten aus dem linksgewerkschaftlichen Spektrum einladen. Bei dieser Veranstaltung aber steht die Kritik an der Arbeit im Mittelpunkt.
ND: Spielt in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit ein Kampf gegen die Arbeit nicht auch dem »System« in die Hände? Eben gerade nicht. Systemstabilisierend ist es viel mehr, für die Vermehrung von Arbeit einzutreten. Das passt gut in die Debatte über die Ausweitung von Zwangsdiensten für Arbeitslose sowie über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Daher ist eine Kritik an der vorherrschenden Ideologie der Arbeit, wie sie durch die Veranstaltung beabsichtigt ist, Voraussetzung für eine emanzipatorische Entwicklung. |