FR vom 22.11.03Gericht spricht Polizisten frei "Widersprüche" in Aussagen über Misshandlung festgestellt Das Berliner Landgericht hat am Freitag einen Polizisten von dem Vorwurf freigesprochen, einen türkischstämmigen Verdächtigen schwer misshandelt zu haben. Der Richter monierte "unauflösbare Widersprüche". Menschenrechtsgruppen protestierten. VON PETER NOWAK Berlin · 21. November · Der Polizist war von Levent Ö. der schweren Körperverletzung im Amt beschuldigt worden. Im Mai 2002 hatte Ö. in seiner Wohnung in Kreuzberg eine Party gefeiert. Als die Polizei, von einem Nachbarn wegen Lärms gerufen, gegen Mitternacht eintraf, war die Musik ausgeschaltet. Doch die Beamten meinten, verbotene Hanfpflanzen entdeckt zu haben. Sie durchsuchten ohne richterlichen Befehl die Wohnung und beschlagnahmten zwei Pflanzen. Ö. verlangte ein Protokoll des Einsatzes und begleitete die Polizisten zu ihrem Fahrzeug. Minuten später lag er bewusstlos am Boden. Er verbrachte mehrere Tage auf der Intensivstation. Ärzte attestierten eine offene Nasenbeinfraktur, ein Schädelhirntrauma sowie Verletzungen der Halswirbelsäule und des Ellenbogengelenks. An den Folgen leidet der 43-jährige Mann bis heute. Im Prozess bestätigten mehrere Zeugen, Ö. sei von zwei Polizisten vor dem und im Einsatzfahrzeug misshandelt worden. Die Beamten hatten Ö. ihrerseits wegen Widerstands angezeigt. In der ersten Instanz war der Einsatzleiter zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil wurde am Freitag aufgehoben, der Polizist freigesprochen. Der Richter begründete das Urteil mit "unauflösbaren Widersprüchen" und kritisierte die mangelhafte Arbeit der Ermittlungsbehörden. Die Aussagen der Zeugen, die Ö.s Version unterstützten, wurden vom Richter angezweifelt. Vertreter von Menschenrechtsgruppen waren über das Urteil empört. "Wer wird es noch wagen, einen Polizisten anzuzeigen", fragten sie. Ö. und seine Anwältin behalten sich die Revision vor. Die beschlagnahmten Pflanzen hat Ö. inzwischen zurückbekommen. Sie waren völlig legal. |