Blick nach Rechts: 25/26, 11.12.03Rechtsanwalt Jürgen Rieger
Peter Nowak Der in Schweden ansässige Hamburger Rechtsanwalt Rieger agiert grenzüberschreitend für die rechtsextreme Sache. Um den braunen Rechtsanwalt Jürgen Rieger ist es in der letzten Zeit in Deutschland ruhiger geworden. Kein Wunder, hat sich doch Rieger, der nicht nur jahrelang Neonazis vor Gericht verteidigte, sondern auch selbst in der rechten Szene an vorderster Stelle aktiv war, auf seinen Alterssitz, das Gut Sveneby Säteri, in Mittelschweden zurückgezogen. Doch es war mitnichten ein Abschied von der Politik. Im Gegenteil. In den letzten Tagen geriet Rieger in die Schlagzeilen mehrerer schwedischer Zeitungen. Er wird beschuldigt, die schwedische rechte Szene tatkräftig zu unterstützen. Wie ernst die Staatsorgane die rechte Gefahr nehmen, zeigte sich am 25. November. An diesem Tag startete die Polizei eine landesweite Großrazzia gegen Personen mit Verbindungen zur Neonazi-Szene. Zahlreiche Computer und Aktenordner wurden dabei beschlagnahmt. Von der Auswertung erhoffen sich die Behörden neue Erkenntnisse über die Pläne des rechten Spektrums. Zunächst wurden sechs Personen vorläufig festgenommen, fünf nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Gegen den mehrfach vorbestraften 35-jährigen Klas Lund erließ die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er gilt als führender Kopf der Schwedischen Widerstandsbewegung (SMR) und ist Redakteur der SMR-Mitgliederzeitung "Nationellt Motstånd" ("Nationaler Widerstand"). Lund war 1986 als 18-Jähriger wegen Mordes an einem dunkelhäutigen Jugendlichen zu vier Jahren Haft und 1991 nach einem Bankraub zu sechs Jahren verurteilt worden. "Expo"-Chefredakteur Stieg Larsson bezeichnet die SMR als "Eliteorganisation mit Terrorträumen". Rieger wird als eifriger Förderer der aktivsten schwedischen Neonazigruppe hervorgehoben. So sollen drei Personen aus der SMS-Führungsriege mittlerweile ihren Wohnort auf Riegers Gut verlegt haben. Die schwedische Polizei befürchtet, dass Rieger eine Schlüsselrolle bei der Organisierung der rechten Szene auch über Schweden hinaus zukommen könnte. Ein Kripo-Sprecher in Skövde sagte der "Expo": "Völlig klar, dass hier ein neues Zentrum entsteht. Es kommt ein Gut mit zahlreichen unbewohnten Häusern dazu, und all diese Leute ziehen da jetzt ein." Dass Rieger auch über Schwedens Grenzen hinaus für die rechte Sache agiert, zeigte sich erst im August 2003, als er den "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel (Franken) anmeldete. Unter den cirka 2600 Teilnehmern befand sich eine Abordnung der SMR mit Lund. Auch in Schweden sind die Rechtsextremisten wieder verstärkt aktiv. So versammelten sich am 6. Dezember über 1500 Neonazis in der Nähe von Stockholm zum so genannten "Salemmarsch". Damit wollten sie ihres Gesinnungskumpanen Daniel Wretström gedenken, der im Jahr 2000 in einer Auseinandersetzung mit Flüchtlingen umgekommen ist. Im vergangenen Jahr nahmen rund 1000 Neonazis an dem Aufmarsch teil. Neben der SMR stand auch die Nationalsozialistische Front im Visier der schwedischen Behörden. Diese im Vergleich zur SMR wesentlich kleinere und abgeschottetere Organisation war ebenfalls von der Razzia betroffen. Die rechtsextremen Organisationsversuche in Schweden sind nicht neu. Schließlich hatten sie 1999 einen blutigen Höhepunkt erreicht. Damals wurden unter anderem ein Journalist und sein Sohn durch eine von Neonazis gelegte Autobombe schwer verletzt und der Gewerkschaftler Björn Söderberg vor seiner Wohnung ermordet, weil er öffentlich gemacht hatte, dass sich ein Neonazi in seiner Firma in den Betriebsrat wählen lassen wollte. Dieser Mord hatte zu einer schwedischen Variante des so genannten Aufstands der Anständigen geführt. Nicht unumstrittener Höhepunkt war die Veröffentlichung der Konterfeis und Lebensläufen von 62 bekannten Neonazis durch vier führende schwedische Tageszeitungen (BnR berichtete). Dass sich die rechte Szene so schnell reorganisieren könnte, kam für Beobachter überraschend. Für die rechten Positionen ist aber durchaus ein Wählerpotenzial vorhanden. So gelang den extrem rechten Schwedendemokraten der Einzug in 28 Stadt- und Gemeinderäte. Durch diesen Erfolg gestärkt hoffen sie, bei den Wahlen 2006 ins Parlament einzuziehen. Die Partei bemüht sich jetzt um mehr Seriosität und vertritt keine offen neonazistischen Positionen mehr. Neonazigruppen wie die SMR und die Nationalsozialistische Front versuchen daher, das von den Schwedendemokraten frei gegebene Terrain zu besetzen. |