Blick nach Rechts 31/2003 rechtsextreme Szene in Schweden Peter Nowak
Eine aktive rechtsextreme Szene in Schweden hat weitgehend unbehelligt neue Strukturen aufgebaut. Der Mord an der schwedischen Außenministerin Anna Lindh im September scheint aufgeklärt. Eine DNA-Analyse scheint die Verdachtsmomente gegen einen seit Wochen inhaftierten Mann noch zu verstärken. In den führenden schwedischen Medien wird häufig darauf hingewiesen, dass der Täter das Kind von Einwanderern aus Jugoslawien ist. Damit soll deutlich gemacht werden, dass das vielzitierte schwedische Volksheim, in dem alle Konflikte im Konsens geklärt werden und Gewalt tabu ist, weiterhin intakt ist. In den ersten Tagen nach dem Mord an Lindh waren in zahlreichen Medien noch andere Stimmen zu hören. So wurde darüber berichtet, dass schon wenige Stunden nach dem Attentat auf Neonazi-Homepages unverhohlene Genugtuung über die Bluttat geäußert wurde. Die Außenministerin habe zu jenen gehört, die eine "gesetzlose multikulturelle Gesellschaft" propagierten. Die Gewalt schlage nun gegen sie zurück, hieß es dort. Die Hinweise auf die schwedischen Neonazis verschwanden aus der Presse, nachdem ein erster Verdächtiger aus dem rechten Milieu nach wenigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste. Der Tatverdacht hatte sich nicht erhärten lassen. Dabei wäre unabhängig vom Fall Lindh eine offene Debatte über die Gefahr von Rechts in Schweden längst überfällig. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit konnte sich dort wieder eine rechte Szene etablieren. Auf das Konto rechter Terroristen gingen schon in der Vergangenheit Bombenattentate, mehrere Morde und zahlreiche Brandanschläge in den letzten beiden Jahrzehnten. 1995 wurden ein homosexueller Eishockeyspieler und ein afrikanischer Flüchtling von Rechtsextremen erstochen. Anfang der 90er Jahre sorgte eine Serie von Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime über Schweden hinaus für Empörung. Doch erst der Mord an dem Gewerkschaftler Björn Söderberg im Oktober 1999 führte zu einer größeren öffentlichen Diskussion über die rechte Gefahr. Er wurde von drei Neonazis vor seiner Haustür erschossen, weil er sich gegen einen Arbeitskollegen und aktiven Neonazi engagierte und dessen Wahl zum Vertrauensmann verhinderte. Nachdem die Täter und ihre rechten Verbindungen bekannt wurden, wehte den aktiven Neonazis ein schärferer Wind ins Gesicht. Höhepunkt der Kampagne war eine koordinierte Aktion der vier größten schwedischen Tageszeitungen, die die Lebensläufe und Fotos von 62 polizeibekannten Neonazis veröffentlichten und damit heftige Diskussionen auslösten. Doch ähnlich wie beim vielzitierten "Aufstand der Anständigen" in Deutschland hielt sich auch in Schweden die öffentliche Aufmerksamkeit nur begrenzte Zeit. Die aktiven Rechten zogen sich für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück und bauten im Stillen neue Strukturen auf. Vor allem in ländlichen Regionen rekrutieren sie weiterhin vor allem unter Jugendlichen Anhänger. Ein Köder ist die "White Power Music", die in den Songs unverhüllt Rassismus und Antisemitismus propagiert. White Power Music ist in bestimmten Jugendkreisen geradezu eine Modeerscheinung. Studien zufolge stimmt jeder zehnte schwedische Teenager den plumpen rechten Inhalten der Musik zu. Das haben sich geschäfts-tüchtige Produzenten mittlerweile zu Nutze gemacht. Schweden gilt als Vertriebszentrum Nummer eins in Sachen Rechtsrock. Über Internet werden rechte Tapes und Videos in viele Länder der Welt exportiert. Auch deutsche Rechte gehören zu den Abnehmern von schwedischem Rechtsrock. Zwar sind nach dem Mord an Söderberg die spektakulären rechten Gewalttaten zurückgegangen, doch auf niedrigerem Level liefen die Aktionen weiter. So listete die zum Europarat gehörende Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz die Vergehen der Aufstachelung zum Rassenhass in Schweden zwischen 1999 und 2001 auf. Die Zahl der Delikte hatte von 573 beschriebenen Fällen auf zuletzt 744 pro Jahr zugenommen. Im November 2002 wurde ein junger Antifaschist in Malmö von drei vermummten Männern in ein Auto gezerrt. Mit den Worten: "Das ist eine Warnung" schnitten sie ihm einen Finger ab. Zuvor war ein Foto des Mannes auf einer rechtsextremen Internetseite veröffentlicht worden. Auch die Auslandskontakte der schwedischen Rechten sind in den letzten Jahren wieder intensiviert worden. So haben an dem Gedenkmarsch für Rudolf Heß im vergangenen August im bayrischen Wunsiedel auch Mitglieder der neonazistischen Nationalen Jugend und der Schwedischen Widerstandsbewegung teilgenommen. |