ND vom 4.7.03Was tun gegen rechte Burschen? Florian Schneider In diesem Jahr haben linke Gruppen in Marburg (Hessen) ihre Proteste gegen den alljährlichen, am Sonntag stattfindenden Marktfrühschoppen der Burschenschaften ausgeweitet. ND sprach darüber mit Florian Schneider, Mitglied der Hochschulgruppe dissident.
ND: Was ist der Marburger Marktfrühschoppen? Schneider: Es handelt sich um ein Fest der Verbindungsstudenten, das von 1951 bis 1998 von der Marburger Oberstadtgemeinde für Bürger der Stadt ausgerichtet wurde. Nach dem die Proteste zugenommen hatten, zog sich die Oberstadtgemeinde zurück und ein extra für diesen Zweck gegründeter Verein übernahm die Vorbereitung des Marktfrühschoppens. Dessen Inhalte bestehen kurz gesagt aus Blasmusik und viel Bier.
Was motiviert - abgesehen von der schlechten Musik - Linke zu Protesten gegen diesen Frühschoppen? Natürlich ist die schlechte Musik nicht der Hauptgrund. Schließlich handelt es sich um ein Fest von Verbindungsstudenten. Es ist also sehr wohl ein politisches Fest. Unsere Kritik richtet sich hauptsächlich gegen die männerbündischen Strukturen und das Elitebewusstsein der Verbindungsstudenten. Selbstverständlich kritisieren wir auch die rechtsextremen Tendenzen bei den Burschenschaften. 1998 hat sogar die Neonazigruppe Nationaler Widerstand eine Solidaritätsdemonstration für den Marktfrühschoppen angemeldet. Bekannte Neonazis finden sich immer wieder im Publikum. Seit Jahren fordern Marburger Initiativen von dem Verein, der den Marktfrühschoppen organisiert, sich wenigstens von den offen rechtsextremen Verbindungen zu distanzieren. Doch selbst das wurde bisher abgelehnt. Wir fordern die ersatzlose Streichung dieses Festes.
Welche Proteste sind geplant? Es gab im Juni eine Bündnisdemonstration gegen den Marktfrühschoppen in Marburg. An diesem Sonnabend - am Vortag des Marktfrühschoppens - organisieren wir gemeinsam mit dem Bündnis gegen Rechts, dem Studentenausschuss der Uni Marburg, der Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen und anderen eine Tagung unter dem Motto »Eliten - Männerbünde - Vaterland. Studentenverbindungen in der Kritik«. Nach dem Kongress wird es ein Gegenfest zum Marktfrühschoppen geben. Wie in den vergangenen Jahren werden auch diesmal am 6. Juli von linken und antifaschistischen Gruppen direkte Proteste gegen den Marktfrühschoppen organisiert.
Wer wird auf dem Kongress reden? Dort werden sich Wissenschaftler überwiegend aus dem Projekt Konservatismus und Wissenschaft e.V. mit unterschiedlichen Aspekten der Verbindungsstudenten befassen. Ziel ist eine sachliche und fundierte Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen Konservatismus und Wissenschaft und im besonderen mit den studentischen Verbindungen. Zu dieser kritischen Auseinandersetzung gehört natürlich die Beschäftigung mit angrenzenden Themen wie Rechtsextremismus und Nationalismus.
Was haben die Proteste gegen den Marktfrühschoppen bisher bewirkt? Die Proteste sind in den letzten Jahren angewachsen. Dadurch ist der Marktfrühschoppen wesentlich kleiner geworden. Selbst ein Teil der Verbindungsstudenten nimmt nicht mehr daran teil. Allerdings müssen wir verhindern, dass die Proteste zum bloßen Ritual werden, bei dem jedes Jahr auf der einen Seite die Verbindungsstudenten mit den bunten Mützen und auf der anderen Seite die Gegendemonstranten mit den bunten Transparenten stehen. Deshalb gibt es diesmal den Kongress.
Interview: Peter Nowak |