Neuen Deutschland vom 29.1.03Drohender Krieg wirft Schatten voraus ND-Interview mit JCWP-Chef Dr. Mazen Hanna
Dr. Mazen Hanna, ein Arzt, ist Generalsekretär der Jordanischen Kommunistischen Arbeiterpartei (JCWP), die sich im Jahr 2001 von der KP Jordaniens getrennt hat.
ND: Warum gibt es in Jordanien zwei kommunistische Parteien? Hanna: Das ist das Ergebnis eines langen Kampfes innerhalb der Kommunistischen Partei Jordaniens, der die politische Arbeit in den letzten Jahren praktisch lahm gelegt hat. Unsere Partei, die Jordanische Kommunistische Arbeiterpartei, ist noch relativ jung. Wir haben uns im Sommer 2001 von der KPJ getrennt.
Hatte der Streit seine Ursache im Ende des sozialistischen Lagers? Sicher auch darin. Mehr noch aber ist die spezifische Geschichte der kommunistischen Bewegung in Jordanien dafür verantwortlich. Die KP wurde 1952 in Jordanien gegründet. Sie war Jahrzehnte illegal und kämpfte im Untergrund. Daher war es schwierig, mit der Arbeiterklasse in Kontakt zu kommen und ihre Probleme in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Bezugspunkt war lange Zeit der Kampf der palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien, denn die Partei wurde in den Flüchtlingslagern gegründet. Dort hatte sie auch ihre Massenbasis. Sie galt in der Öffentlichkeit bald als die »Palästinenserpartei«.
Spielen Unterschiede zwischen Jordaniern und Palästinenser im Alltag eine große Rolle? Anfang der 70er Jahre ging die jordanische Regierung mit brutaler Gewalt gegen alle palästinensischen Organisationen vor. Tausende Menschen kamen ums Leben. Danach unterschied die Regierung systematisch zwischen Jordaniern und palästinensischen Flüchtlingen, obwohl die Mehrheit der Flüchtlinge die jordanische Staatsbürgerschaft besitzt. Wir Kommunisten haben diese Spaltung nicht mitgemacht. Aber durch diese Spaltung bekamen wir zu bestimmten Sektoren der Gesellschaft schwerer Zugang.
Wieso kam es gerade vor zwei Jahren zur Spaltung der Partei? Nach der Legalisierung der Partei ging es um konkrete Politik und nicht mehr nur um Debatten wie in der Zeit der Illegalität. Der rechte Flügel der KP unterstützte die jordanische Regierung und entfernte sich immer weiter von den Volksorganisationen. Diesen Kurs konnten wir nicht billigen. Wir wollten die Fehler des sozialistischen Modells analysieren, um ein neues, zum Kapitalismus alternatives zu entwerfen. Diese Debatte dauert in unserer Partei bis heute an. Wir greifen dabei auf Diskussionen zurück, die in der früheren sozialistischen Bewegung schon eine wichtige Rolle gespielt haben, beispielsweise diskutieren wir über Modelle einer Arbeiterdemokratie und Arbeiterselbstverwaltung.
Kann man heute von Demokratie in Jordanien sprechen? Nein, wir haben eine Scheindemokratie. Die Palästinenser, immerhin mehr als die Hälfte der jordanischen Bevölkerung, haben keine Rechte. Sie dürfen sich nicht politisch organisieren. Jede Demonstration wird von der Polizei brutal unterdrückt. Immer wieder werden Journalisten festgenommen, weil sie sich kritisch mit der jordanischen Innenpolitik befassen. Im November wurden die Anti-Normalisierungskomitees verboten, die im ganzen Land aktiv waren und sich gegen die Unterordnung Jordaniens unter die Politik der USA und Israels wandten.
Überall im arabischen Raum haben islamistische Bewegungen Zulauf. Wie verhält sich Ihre Partei zu diesen religiösen politischen Strömungen? Wir halten nichts vom politischen Islam und den Bewegungen, die unter dem Deckmantel der Religion politische Ziele erreichen wollen. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder erlebt, wie der Islam vom Imperialismus und den reaktionären Regimes gegen die Linke eingesetzt wurde. Allerdings haben wir in den letzten Jahren eine Differenzierung innerhalb dieser islamistischen Bewegungen festgestellt. Ein Großteil der Basis vertritt offen antiimperialistische Positionen. Im Zuge des drohenden Irakkriegs wird sich diese Differenzierung verschärfen. Gegen diesen Krieg werden wir durchaus auch mit islamistischen Organisationen zusammen auf die Straße gehen. In allen anderen Fragen aber werden wir keine Gemeinsamkeiten finden.
Als Nachbar Iraks wäre Jordanien von einem USA-Krieg direkt betroffen. Wie reagiert die Öffentlichkeit darauf? Der drohende Krieg verschärft die innenpolitische Situation Jordaniens schon heute. Die Repression gegen Regierungskritiker nimmt zu. Doch wenn der Krieg ausbricht, werden weder Verbote noch Polizeieinsätze helfen: Dann wird die Wut großer Teile der Bevölkerung so groß sein, dass sie sich nicht mehr einschüchtern lassen.
Interview: Peter Nowak |