Telepolis11.01.2003Jordanien und Irak Ein Krieg gegen den Irak könnte das Land zerreißen
Peter Nowak
Die Kluft zwischen der prowestlichen Regierung und großen Teilen der Bevölkerung hat sich in Jordanien vertieft
Der israelisch-palästinensische Konflikt ist nicht nur geographisch nahe an Jordanien herangerückt, obgleich die prowestliche Regierung alles versucht, um das Land aus den Auseinandersetzungen herauszuhalten. In der Nähe der palästinensischen Grenze wurden Checkpoints eingerichtet. Jordanische Soldaten sollen so verhindern, dass Waffen und anderes militärisches Gerät nach Palästina geschmuggelt werden. Man will sich als verlässlicher Partner der USA und Israels zeigen. Doch auf der Straße wecken solche "vertrauensbildende Maßnahmen" kaum Begeisterung. "Warum spielen wir hier den Hilfspolizisten?", ist oft zu hören.
Über die Hälfte der jordanischen Bevölkerung sind Palästinenser. Die meisten sind nach den Kriegen 1948 und 1967 in das Land geflohen. Sie leben in 17 Flüchtlingscamps, überwiegend rund um die Hauptstadt.
Mit 246.000 Einwohnern ist Baka im Norden von Amman das größte Camp der Region. In Miniformat hat sich dort eine eigene Klassengesellschaft etabliert. In den wohlhabenden Straßen blüht der Handel. Mehr am Rande findet man Wellblechhütten. Der Baka-Club ist das gesellschaftliche Zentrum des Flüchtlingscamps.
Die Regierung versucht die Palästinenser gegen die Jordanier auszuspielen. Bei Teilen des Mittelstandes findet sie dabei Unterstützung. Obwohl die Palästinenser mit wenigen Ausnahmen die jordanische Staatsbürgerschaft besitzen, sind sie längst keine vollwertigen Staatsbürger. "Jede politische Betätigung ist uns verboten. Alle Demonstrationsversuche werden mit Gewalt unterdrückt", erklärten die Vertreter vom Baka-Verein. Alle palästinensischen Parteien und Organisationen haben in Jordanien Betätigungsverbot. Führende Funktionäre der marxistischen Volksfront für die Befreiung Palästinas [1] können allerdings als Einzelpersonen in Jordanien leben.
Der drohende Irakkrieg bringt die jordanische Regierung in eine schwierige Situation. Sie will sich dieses Mal auf keinen Fall wie beim letzten Golfkrieg 1991 auf Seiten des Irak wiederfinden. Daher lautet die offizielle Linie, man wolle alles tun, um einen Krieg zu verhindern. Doch werde man der USA keinesfalls in den Rücken fallen. Inoffiziell heißt es, dass US-Spezialeinheiten zusammen mit jordanischen Soldaten schon in den Irak eingedrungen sind und Angriffsziele auskundschaften.
Diese Politik wird nicht nur von den Palästinensern abgelehnt. Solidaritätskomitees mit der irakischen Bevölkerung finden im ganzen Land Unterstützung. Die Regierung reagiert zunehmend mit Repression. So wurden vor wenigen Wochen die Anti-Normalisierungskomitees verboten. Sie wandten sich gegen eine Unterwerfung der jordanischen Innenpolitik unter die Interessen der USA und Israels. Besonders unter Kritik stehen die 15 jordanischen Industriesonderzonen, die mit Kapital aus Israel aufgebaut werden. Dafür ist gesetzlich festgeschrieben, dass 20 % der Rohstoffe aus Israel importiert werden müssen und der jordanische Staat für die Infrastruktur zu sorgen hat.
Ein Krieg der USA gegen den Irak könnte die Situation verschärfen, das Land zerreißen. Die Ereignisse in der kleinen südjordanischen Stadt Ma'an Anfang Dezember könnten dafür ein Vorgeschmack sein. Bei tagelangen Kämpfen zwischen Armee und großen Teilen der Bevölkerung wurde eine bisher unbekannte Zahl von Menschen getötet. Mehrere Hundert Menschen wurden verhaftet. Auslöser war die Verhaftung von Stammesmitgliedern der Region, die beschuldigt wurden, Waffen in die palästinensischen Gebiete geschmuggelt zu haben.
Links
[1] http://www.pflp-pal.org/ |