Telepolis12.11.03Der Internetkanzler ist jetzt ein Linker Peter Nowak Das Versprechen von mehr Basisdemokratie gab den Ausschlag Um die Linke ist es in Deutschland nicht sehr gut bestellt. Deshalb werden manche die Presseerklärung [1] PDS, die am 11.11. bei den Redaktionen einging, für einen Faschingsscherz gehalten haben: "Der PDS-Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz gratuliert Erkan Dinar zu seiner Wahl zum Internetkanzler", heißt es dort. Der 23-Jährige ist PDS-Mitglied [2] und wurde in der Türkei geboren, besitzt allerdings seit einigen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit. Und die Meldung von seiner Wahl stimmt, auch wenn Erkan Dinar ein Kanzler ohne Macht sein wird. Wurde er doch bei dol2day [3], der größten deutschsprachigen Politiksimulation [4], als Kandidat eines linken Bündnisses [5] am Wochenende zum Kanzler gewählt. Die von Aachener Studenten entwickelte politische Internetplattform dol2day hat mittlerweile mehr als 20.000 Mitglieder und steht jedem offen, der Interesse an spannenden Diskussionen zu politischen Themen hat. Scheinbar klappt es mit der Bündnispolitik im Netz besser als in der realen Welt. Marillion [6], wie sich Erkan Diner im Internet nennt, wurde sowohl von virtuellen Sozialdemokraten als auch von Demokratischen Sozialisten getragen. Unterstützung erhielt er zudem von kommunistischen und grünen Netzparteien. Das Bündnis hat die Wahlen hauptsächlich mit dem Versprechen gewonnen, mehr Basisdemokratie bei dol2day einzuführen. Damit konnten die FDP- und CDU-nahen Netzparteien auf den zweiten Platz verwiesen werden. Sie hatten bisher den Internetkanzler [7] gestellt, der erst kürzlich durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und durch eine Interimsregierung ersetzt wurde. Deren einzige Aufgabe war die Durchführung der Wahlen, bei denen sich jetzt die Mehrheitsverhältnisse gründlich geändert haben. Allerdings dauert die Legislaturperiode im Netz lediglich vier Monate. Der Sieg der virtuellen Linkskoalition sollte allerdings nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass die Netzgemeinde grundsätzlich demokratischer wäre. Auch die Rechten betreiben seit Jahren einen intensiven Netzaktivismus. So sorgte erst vor wenigen Monaten der Ausschluss der rechten FUN-Partei von dol2day für heftige Diskussion in der Internetgemeinde ( Verbot einer virtuellen rechten Partei [8]).
Links
[1] http://www.pds-online.de/politik/presseerklaerungen/ [2] http://www.juzteufel.de/verantwortlicheseite1erkan.htm [3] http://www.dol2day.com [4] http://www.politiksimulation.de [5] http://www.dol2day.com/index.php3?koalition_id=14&position=12000 [6] http://mitglied.lycos.de/linksplus [7] http://www.internet-kanzler.de [8] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/15007/1.html |