ND 10.02.03Droht nun in Hamburg die Abwicklung? Martin Dolzer ist Studierendenvertreter und Mitglied des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) in Hamburg.
ND: Der reformorientierten Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) droht die Abwicklung. Warum ist gerade der Bestand der HWP bedroht? Dolzer: Der Hamburger Hochschulsenator Jörg Dräger will die Hamburger Hochschullandschaft nach einem künstlich geschaffenen Sparzwang reformieren. Die Empfehlung einer dazu eingerichteten Strukturkommission unter Vorsitz des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Hamburg Klaus von Dohnanyi gibt die Richtung vor, legt aber noch nichts fest. Die Kommission orientierte sich aber sehr stark an den wissenschaftspolitischen Konzepten der Handelskammer und des CHE (Centrum für Hochschulentwicklung), das von Bertelsmann finanziert wird.
Demnach sollen weite Teile der Sozial- und Geisteswissenschaften sowie die HWP abgewickelt werden? Die HWP soll mit den Wirtschaftswissenschaften an der Hamburger Universität zusammengelegt werden. Würden diese Pläne umgesetzt, wäre die HWP als Reforminstitution nicht mehr existent.
Was macht den besonderen Stellenwert der HWP aus? Die HWP wurde 1948 als Hochschule für Gemeinwesen gegründet. Durch linke Hochschullehrer wurde sie in den 70er Jahren eine Reforminstitution. Es ist eine Bildungseinrichtung, an der ca. 40 Prozent der Studierenden über den Zweiten Bildungsweg ihre Hochschulreife erlangt haben. Der Anteil gemeinhin bildungsferner Schichten wie Arbeiterkinder und Migranten ist daher besonders hoch. Man kann von einer Art Arbeiter- und Bauernfakultät des Westens sprechen.
Was zeichnet das Studium an der HWP aus? Der Hochschulzugang, die Interdisziplinarität und die Projektorientierung der Lerninhalte sowie das Lernen in Gruppen sind Merkmale, in denen sich die HWP von den anderen Universitäten unterscheidet.
Wie reagieren die Studierenden auf die Pläne des Hamburger Hochschulsenators? Die Ergebnisse der Strukturkommission werden überwiegend abgelehnt. Sie sind wissenschaftlich inkonsistent, weil sie sich nicht an der Analyse der Gesellschaft, sondern an der des Arbeitsmarkts orientieren. Die Studie gibt die falschen Antworten auf von ihr benannte Probleme, ist die einhellige Meinung unter den Studierenden. Studiengebühren, zusätzliche Prüfungen zwischen umfassend eingeführten BA/MA Studiengängen und die Kürzungen der Studienmöglichkeiten sind im Ganzen wie im Einzelnen nicht akzeptierbar.
Gibt es schon Proteste? Es gab gut besuchte Vollversammlungen, auf denen Resolutionen gegen die Kommissionspläne beschlossen wurden, und es gab am 5. Februar eine erste größere Demonstration gegen die Pläne der Kommission. Die Proteste werden weitergehen und sind nicht nur auf die Studierenden der HWP beschränkt. Als Studierendenvertreter sehe ich die Pläne von Dräger und Co. als Teil der unsozialen Politik des Hamburger Rechtssenats. Der studentische Widerstand wird somit zum Bestandteil der mittlerweile gut vernetzten sozialpolitischen Opposition der Hansestadt.
Das Interview führte Peter Nowak |