Neues Deutschland vom 16.1.03Seltsamer Schulterschluss Verbotene Organisation erhielt auch Beifall von Rechtsextremisten
Von Peter Nowak
Am Dienstag verbot das Bundesinnenministerium die Islamistenorganisation Hizb ut-Tahrir (deutsch: Partei der islamischen Befreiung). Ihre Tätigkeit richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, heißt es zur Begründung. Als Hauptbeleg führt das Innenministerium eine Veranstaltung an, die im letzten Herbst bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und die bis dahin nur Insidern bekannte Organisation in die Medienöffentlichkeit katapultierte. Am 27. Oktober 2002 hatten in Berlin führende NPD-Kader den Schulterschluss mit den Islamisten gesucht. Als Redner erlebten die etwa 300 Zuhörer in der Technischen Universität der Hauptstadt den Mitherausgeber des islamischen Magazins »Explizit« Shaker Assem, der über die Folgen eines Golfkrieges für die islamische Welt referierte. Er sprach sich für einen Kalifatstaat aus und propagierte den Islam als weltweite Waffe gegen die kapitalistische Globalisierung. Shaker Assem trat nicht zum ersten Mal an der TU Berlin auf. Der Allgemeine Studentenausschuss der TU erinnerte in einer Presseerklärung daran, dass er schon am 5. Mai 2000 über die Frage »Muslime im Westen - wohin mit der neuen Generation?« referiert hatte. Während diese Veranstaltung in der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde, erzeugte die Veranstaltung im Oktober letzten Jahres ein großes Presseecho. Das lag hauptsächlich an der Teilnahme des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt sowie des umtriebigen NPD-Vorstandsmitgliedes und Parteijuristen Horst Mahler. In einer Wortmeldung aus dem Publikum bekundete Voigt seine Zustimmung zu den Ausführungen des Referenten zum Irak-Konflikt. Das bekräftigte Voigt nach der Veranstaltung in einer Stellungnahme: »Zu meiner Überraschung waren unsere Ansichten fast deckungsgleich, was die Einschätzung dieser Thematik angeht.« Das Medienecho ließ den Verfassungsschutz reagieren. Der Sprecher des Bundesamtes Hans-Gert Lange hielt die Furcht vor einer Aktionseinheit zwischen Islamisten und Rechtsextremen für übertrieben. Wegen der rassistischen Einstellung der NPD sei für ihn »momentan nicht erkennbar, dass über Einzelkontakte hinaus eine Zusammenarbeit funktionieren könnte«. Doch konnte man auch beim Geheimdienst nicht verhehlen, dass man über die konkreten Aktivitäten der 1953 gegründeten Organisation kaum etwas wusste. Nach jetziger Darstellung des Bundesinnenministeriums hält die Partei einen Dialog zwischen den Religionen und Kulturen für unmöglich und predigt statt dessen einen Kampf der Kulturen, vor allem zwischen Islam und Christentum. Dieser Kampf müsse sowohl ideologisch und wirtschaftlich wie auch politisch und militärisch geführt werden. Dieser militärische Kampf gegen die »Ungläubigen« sei für jeden Muslim verpflichtend. Außerdem kämpft die Freiheitspartei gegen Kolonialismus - worunter eine ideologische Führerschaft des Westens verstanden wird - und Zionismus. Dabei werde Israel verhöhnt und zur Tötung der Juden aufgerufen, heißt es beim Innenministerium. Mitte November wurden auf Antrag der Staatsanwalt Frankfurt (Main) in einer bundesweiten Razzia 27 Büros und Privaträume der Befreiungspartei durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Computer und schriftliche Unterlagen beschlagnahmt. Doch insgesamt wurde die Ausbeute der Razzia als mager bezeichnet. 25 Beschuldigte wurden nach Verhören wegen mangelnden Tatverdachts wieder auf freien Fuß gesetzt. Ausdrücklich wurde damals betont, dass man nur gegen Einzelpersonen, nicht aber gegen die Gesamtorganisation ermittele. Daher kam das gestrige Verbot auch für Insider überraschend. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Otto Schily im Vorfeld der für die Bundesregierung wichtigen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen als Law-and-Order-Politiker profilieren will. |