ND 18.03.03Häftling im Hungerstreik Globalisierungskritiker schwebt in Lebensgefahr
Von Peter Nowak
Am heutigen Internationalen Kampftag für die Freilassung politischer Gefangener setzen sich Solidaritätskomitees auch für einen Globalisierungskritiker aus Schweden ein. Der Gesundheitszustand Erik Innosis hat sich in den letzten Tagen akut verschlechtert. Der 32-jährige Göteborger nimmt keine Nahrung zu sich, seit er am 22. Januar eine sechsmonatige Freiheitsstrafe antreten musste, zu der er wegen »gewaltsamen Aufruhrs« während der Proteste gegen den EU-Gipfel im Juni 2001 verurteilt worden war. Verurteilt wurde Innosi aufgrund der Aussagen zweier Zivilpolizisten, die gesehen haben wollen, wie er zwei Pflastersteine auf parkende Polizeiautos geworfen hat. Der Beschuldigte bestreitet die Tat. »Der Hungerstreik ist teils ein Protest dagegen, dass ich für etwas verurteilt wurde, was ich nicht getan habe«, heißt es in einem Brief des Gefangenen. Schwedische Journalisten bezweifelten die Glaubwürdigkeit der Zivilfahnder, die in vier weiteren Prozessen als Belastungszeugen gegen Demonstranten auftraten, ebenfalls. Nach Recherchen der Journalisten gehörten beide Beamte zu einer Aufklärungseinheit, die während des EU-Gipfels unter der Bezeichnung Romeo 11 unter Leitung Bertil Claessons agierte. Vor einer Untersuchungskommission unter Leitung des ehemaligen Ministerpräsidenten Ingvar Carlsson, erklärte Claesson, seine Beamten seien auch vermummt aufgetreten und hätten selbst Pflastersteine in den Händen gehalten. Menschenrechtler fordern inzwischen die Bildung einer Kommission, die die juristische Aufarbeitung des EU-Gipfels überprüfen soll. Es mehren sich die Hinweise, dass die schwedische Justiz rechtsstaatliche Verfahren missachtete, um durch abschreckende Urteile Härte zu demonstrieren. Schon vor Monaten wurde bekannt, dass Filmausschnitte, die Angeklagte bei Krawallen zeigen sollten, am Schneidetisch bearbeitet wurden. Währenddessen fürchten Solidaritätskomitees um das Leben Innosis, der seinen Hungerstreik erst beenden will, wenn er aus der Haft entlassen wird. Nach Angaben der schwedischen Justiz gibt es noch mindestens 17 Ermittlungsverfahren gegen Göteborg-Demonstranten in anderen skandinavischen Staaten, Deutschland und den Niederlanden. Auch gegen Demonstranten aus Berlin und Bremen wird weiter ermittelt. Die schwedischen Polizisten dagegen, die mehrere Demonstranten durch Schüsse verletzten, wurden längst freigesprochen. |