ND 28.03.03Bomben zerstören Illusionen Buchautorin Brigitte Kiechle über Chancen der Saddam-Gegner
Die Karlsruher Rechtsanwältin und Buchautorin Brigitte Kiechle beschäftigt sich seit Jahren mit Irak und hat kürzlich im Schmetterling Verlag das Buch »Mit dem Maßstab der Freiheit - Irak - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft« veröffentlicht.
ND: In der letzten Zeit treten in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder irakische Oppositionelle auf. Haben sie Rückhalt in der irakischen Bevölkerung? Kiechle: Die großen politischen Strömungen, die kommunistische Strömung, die großen kurdischen Parteien, schiitische Parteien und nationalistische Kräfte haben in Irak bis heute eine politische Basis. Auf der anderen Seite stehen die USA-tauglichen Oppositionsgruppen, wie z. B. der Irakische Nationalkongress (INC). Letztere sind außerhalb Iraks entstanden und haben im Land praktisch keine Basis.
Wie beurteilen die verschiedenen Oppositionsgruppen den Krieg gegen Irak? Alle politischen Parteien, die innerhalb Iraks über eine Basis verfügen, auch die Patriotische Union Kurdistans (PUK) und die Kurdische Demokratische Partei (KDP), haben sich im Vorfeld gegen den Krieg ausgesprochen. Lediglich die von der USA gesponserten Exilgruppen haben den Kriegskurs unterstützt. Die Unterschiede zeigen sich in der Haltung, nachdem der Krieg begonnen hat. Die KP hat eine eindeutige und klare Antikriegsposition eingenommen, die KDP hat erklärt, dass sie sich in dieser Auseinandersetzung »neutral« verhalten wird, und die PUK vertritt eine schwankende Position. Die Mehrheit der irakischen Bevölkerung ist sicher eindeutig gegen den Krieg.
Trifft das auch für die Bevölkerung Nordiraks zu? Dort ist die Stimmung differenzierter. Es gibt dort auch Stellungnahmen für den Krieg. Diese Meinungen sind einem gewissen Fatalismus geschuldet. Die kurdische Bevölkerung sieht sich nach wie vor in einem Abwehrkrieg gegen das irakische Militär und befürchtet ein erneutes Eingreifen der irakischen Armee. Hier besteht dann teilweise die Illusion, die USA hätten tatsächlich ein Interesse an ihrer Lage und nach Kriegsende könnte sich ihre Situation positiv verändern. Allerdings könnte der reale Kriegsverlauf auch hier dazu beitragen, dass sich diese Haltung schnell verändert. Bereits die Ankündigung der Türkei, nach Nordirak einzumarschieren, hat sehr schnell Illusionen über die Möglichkeiten, im Schatten des Krieges Rechte der Kurden durchzusetzen, zerstört. Und auch die kurdische Bevölkerung in Nordirak bekam bereits die Auswirkungen der massiven Bombardierungen zu spüren. So wurden bei der angeblichen Bekämpfung von islamistischen Strömungen an der Grenze zu Iran drei kurdische Dörfer bombardiert. Dabei kamen über 100 Menschen ums Leben.
Welche Rolle wird die Opposition in einem Nachkriegs-Irak spielen? Die USA-Planungen sehen entweder die Installierung eines USA-hörigen Regimes durch den Austausch der Führungspersonen innerhalb des derzeitigen Machtapparates oder die Einsetzung eines USA-Militärregimes vor. In beiden Varianten wird die innerirakische Opposition keinerlei Rolle spielen. Auch die USA-freundlichen Fraktionen haben gegen diese Pläne protestiert. Alle Strömungen der innerirakischen Opposition haben eindeutig klargestellt, dass die Frage der politischen Ordnung in Irak nach einem Sturz des Baath-Regimes die Sache der irakischen Bevölkerung sein muss. Letztlich werden die Gruppierungen und Parteien, die eine klare Antikriegshaltung bezogen haben, aber gleichzeitig den Sturz des irakischen Regimes fordern, ihre Basis innerhalb der Bevölkerung ausbauen können. Sie werden wahrscheinlich an Glaubwürdigkeit und Einfluss gewinnen. Ob die Opposition diesen Kurs durchsetzen kann, wird auch davon abhängen, ob es den innerirakischen Oppositionellen gelingt, eine glaubwürdige Bündnisstruktur herzustellen. Dazu brauchen sie ein gemeinsames politisches Programm, das tatsächlich eine demokratische Perspektive eröffnet.
Fragen: Peter Nowak |