Telepolis14.09.2002Terrormeldungen mit kurzer Haltbarkeit
Peter Nowak
Einige Tage machte das angebliche "Terrorpaar aus Heidelberg" nicht nur in der Boulevardpresse Schlagzeilen
Waren der 24jährige Osman P. und seine Bekannte Astrid E. gar [1]Mitglieder des al-Quaida-Netzwerkes? Wenige Tage vor dem 11.September wurde gar phantasiert, die gesamte Heidelberger Innenstadt habe möglicherweise Ziel eines Anschlages werden sollen - und das womöglich am Jahrestag der Anschläge in den USA. Kaum jemand wagte zu fragen, wie die Tatsache, dass das Duo verhaftet wurde, weil Astrid E. recht eindeutige Bemerkungen über einen bevorstehenden Anschlag gegenüber einer Freundin gemacht hatte, zu der Stilisierung als Topterroristen passt.
Wenige Tage später kam die Entwarnung von offizieller Seite. Der Fall sei ziemlich hoch gespielt worden, erklärte eine Sprecherin der Heidelberger Staatsanwaltschaft. Damit [2]wurde aus dem Topterroristen ein labiler Einzeltäter aus dem Kleinkriminellenmilieu ohne jeglichen religiösen Hintergrund. Die in der Wohnung von Osman P. gefundenen Rohrbomben seien überhaupt nicht einsatzbereit und die Anschlagspläne hätten sich allerhöchstens in der frühesten Versuchsphase befunden. Doch schon hat die Presse herausgefunden, dass Osman P. wegen seiner Karriere als Kleinkrimineller im Drogenmilieu schon mal vor der Ausweisung in die Türkei stand, die erst im Sommer 2001 von der Justiz zurückgewiesen worden war.
Noch andere Topmeldungen in Sachen islamistischer Terrorismus um den 11.September hatten ein schnelles Verfallsdatum. Da war die [3]Razzia in einer Hamburger Moschee am vergangenen Mittwoch in Hamburg. Prompt wurde in den Medien wieder über eine al-Quaida-Zelle in der Hansestadt [4]spekuliert. Doch schon am Donnerstag gab die Hamburger Polizei Entwarnung. Es seien weder Hinweise auf irgendwelche Terroranschläge noch irgendwelche verdächtigen Personen gefunden worden.
Auch im Fall des deutsch-syrischen Textilienhändlers, dessen Wohn- und Geschäftsräume in Schleswig-Holstein von der Polizei [5]durchsucht wurden, ruderten die Anklagebehörden nach wenigen Tagen zurück. Es habe keine Haftbefehle gegeben und die Ermittlungen würden fortgesetzt, heißt es dort. Zunächst wurde dem Geschäftsmann vorgeworfen, gewaltbereite Islamisten nach Deutschland eingeschleust zu haben.
Die hochgespielten Terrormeldungen haben allerdings Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung in Deutschland. Die CDU/CSU ließ es sich natürlich nicht nehmen, der Bundesregierung vorzuwerfen, sie unternehme zu wenig gegen den Terrorismus. Stoibers Innenministerkanditat Beckstein [6]füttert die Medien mit immer neuen [7]Law-and Order-Forderungen. Der amtierende Innenminister Schily wiederum [8]erklärt, dass Becksteins Forderungen schon längst Gesetz seien und die bestehenden Regelungen ausreichen.
Wie schnell elementarste Grundrechte im Zeiten der Terrorismushysterie über Bord geworfen werden, zeigt sich aktuell in Dänemark. So entschied ein Richter, dass das Telefon des Journalisten Stig Mathiesen von der führenden Tageszeitung [9]Jyllands Posten abgehört werden darf, weil er sich nach einem Artikel über islamistische Fundamentalisten auf seinen Journalistenschutz berief und sich [10]weigerte, den Namen seiner Informanten preiszugeben.
Links
[1] http://www.welt.de/daten/2002/09/09/0909de355401.htx [2] http://www.rheinneckarweb.de/regio/zeitgeschehen/0908_terror.htm [3] http://www.welt.de/daten/2002/09/09/0909de355401.htx9 [4] http://www.welt.de/daten/2002/07/04/0704de342292.htx [5] http://de.news.yahoo.com/020910/3/2y9ye.html [6] http://www2.stmi.bayern.de/PM/2002/561.htm [7] http://www.ftd.de/pw/de/1031589041300.html?nv=7dm [8] http://www.bmi.bund.de/services/externalViews/ExternalViews.jsp?template =singleFrameset&category=presse&ixepf=3735_presse&Thema=+&verknuepfung=+ &nodeID=3735&hits=1465&phits=90597%2c90596%2c90584%2c90582%2c90581%2c905 64%2c90563%2c90551%2c90541%2c90535%2c90529%2c90528%2c90522%2c90526%2c905 24%2c90583%2c90517%2c90493%2c90465%2c90461%2c90456%2c90449%2c90438%2c904 25%2c90417%2c90401%2c90398%2c90397%2c90395%2c90391%2c90389%2c90388%2c903 90%2c90339%2c90325%2c90322%2c90320%2c90318%2c90316%2c90300%2c90295%2c902 93%2c90289%2c90279%2c90278%2c90263%2c90262%2c90261%2c90259%2c90257&id=90 563&page=0 [9] http://www.jp.dk/ [10] http://www.taz.de/pt/2002/08/30/a0142.nf/text.name,askeo81tr.n,0 |