TELEPOLIS24.08.2002 Und schon bist Du Terrorist
Peter Nowak
Wie drei Schweden somalischer Herkunft auf die US-Terrorliste kamen und wie schwer es war, dort wieder runterzukommen
Für Ibrahim Warsame waren die letzten Monate ein Alptraum. Der gebürtige Somalier lebt seit 11 Jahren in Schweden und hat sich dort nie etwas zu Schulden kommen lassen. Auch politisch hat sich der Vater von 4 Kindern nie exponiert. Trotzdem landete er im letzten Herbst mit zwei weiteren in Schweden lebenden Somalier auf der Terrorliste der USA (Vgl. [1]Kolumbien gleich Afghanistan?), auf der nach den Anschlägen vom 11. September angebliche Unterstützer des Al-Quadia-Netzwerkes geführt wurden.
Offiziell durften die Betroffenen nicht einmal erfahren, warum sie auf die Liste gekommen sind, die schwerwiegende Folgen für sie hatte. Sämtliche Konten wurden ihnen gesperrt, sämtliche staatlichen Zahlungen, sogar Rechtshilfe wurde ihnen [2]verweigert. Lediglich ein Solidaritätskomitee sammelte am Rande der Legalität Gelder für die Betroffenen. Denn jede Unterstützung von auf der auch von den EU-Ländern übernommenen Terrorliste kann selber wieder strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.
Einer der Betroffenen, der vor 11 Jahren nach Schweden geflohene Abdirisak Aden, war mittlerweile sozialdemokratischer Kommunalpolitiker in einer schwedischen Gemeinde. Bei den letzten Wahlen zum schwedischen Parlament hat er für seine Partei für einen Abgeordnetensitz kandidiert. Dem Betriebswirt wurde sein Stipendium gesperrt und alle Konten gesperrt. Doch er ging an die Öffentlichkeit und die schwedischen Behörden wurden aktiv. Die schwedische Geheimpolizei erklärte nach Prüfung des Vorfalls, dass die Vorwürfe nicht für eine Anklage vor einem schwedischen Gericht ausreichen würde.
Durch die Aktivitäten der schwedischen Behörden erfuhren die Betroffenen auch, warum sie auf der Liste landeten. Die drei Somalier hatten ehrenamtlich für die Al-Barakaat gearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Alternativbank, mit der in Schweden lebende Somalier mit Geldüberweisungen die notleidende Bevölkerung ihres Heimatlandes unterstützten. Diese Form der Selbsthilfe wurde auch von UNO-Behörden bisher als vorbildlich [3]gelobt. Die US-Behörden und Präsident Bush persönlich hingegen [4]behaupteten, dass ein Teil des Geldes für terroristische Aktivitäten abgezweigt worden sei. Auf die Beweise warten die schwedischen Behörden bisher vergeblich. Ihren Aktivitäten haben es zwei der Betroffenen, Abdirisak Aden und Abdulasis Ali, zu verdanken, dass sie jetzt von der Terrorstriche gestrichen wurden. Sie sind damit überhaupt die ersten Personen, denen das gelang.
Bisher wurde die Liste lediglich durch weitere Organisationen und Personen ergänzt. Zuvor mussten sie einen umfangreichen Fragekatalog des US-Finanzministeriums ausfüllen, in denen sie Auskunft über ihre beruflichen und privaten Kontakte, ihre Reisen sowie ihre persönliche und finanzielle Situation geben mussten. Außerdem mussten sie sich verpflichten, jeden Kontakt mit der Al-Barakaat-Bank zu meiden. Der dritte Somalier, der sich ebenfalls nach einigen Zögern der Befragung unterzogen hat, wurde ohne Angabe von Gründen nicht von der Liste gestrichen. Die Angelegenheit hat bei der schwedischen Regierung das Misstrauen gegenüber der ungeprüften Übernahme der US-Terrorliste verstärkt. Doch in Stockholm beklagt man sich über die mangelnde Unterstützung, die man bei der kritischen Haltung sowohl von den Nachbarländern als auch den übrigen EU-Staaten erfahren [5]habe.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11015/1.html [2] http://www.uhudla.at/news/2002/01_max/somalia_schweden.html [3] http://www.africaonline.com/site/Articles/1,3,47323.jsp [4] http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/11/20011107-6.html [5] http://www.taz.de/pt/2002/08/23/a0047.nf/text |