ND 23.10.02Streik im Medienkaufhaus Französischer Gewerkschaftsaktivist aus der Medienbranche machte in Berlin Kollegen Mut
Von Peter Nowak
Beschäftigte der Medienbranche werden gemeinhin nicht als Vorreiter bei Arbeitskämpfen angesehen. Doch vielleicht ist das auch ein Vorurteil. Am Montag berichtete Fahice Duchanin im Berliner Haus der Demokratie über einen Arbeitskampf in der französischen Buchbranche, der hierzulande wohl nicht genügend Aufmerksamkeit gefunden hatte. Duchanin ist Gewerkschaftsaktivist und arbeitet in einer Filiale des französischen Kulturkaufhauses FNAC. In Frankreich ist dieser Name ein Begriff. Es gibt im ganzen Land über 50FNAC-Fililalen. Dort werden CD, Bücher und Telefone verkauft. Die Arbeitsbedingungen sind miserabel. Jede Filiale hat eigene Verträge. Besonders schlimm hatten es die Angestellten der FNAC-Filiale an der Pariser Prachtmeile Champs Elyseés getroffen. Der Laden hatte wegen der Sonderkonzessionen in Touristenmeilen von 7bis 24Uhr geöffnet. Dabei waren die Löhne dort besonders niedrig. Am 13.Febuar 2002 reichte es den Angestellten. Sie forderten eine Gehaltserhöhung sowie Urlaubsgeld und traten in den Streik. Diese spontane Aktion überraschte sogar die Gewerkschaften, betonte Duchanin. Zunächst nahm die FNAC-Geschäftsleitung den Arbeitskampf nicht besonders ernst und ignorierte die Forderungen der Streikenden. Doch Angestellte anderer Filialen solidarisierten sich mit den Streikenden. Nicht nur die Beschäftigten zahlreicher weiterer französischer FNAC-Filialen traten in einen Soli-Streik. Sogar die Angestellten des Kulturkaufhaus Virgin, das in Frankreich immer als ewiger Konkurrent zu FNAC hingestellt wird, unterstützt ihre streikenden Kollegen. Der Arbeitskampf weitete sich sogar auf andere Branchen aus. So legten auch Beschäftige des Fastfood-Konzerns McDonald, die Arbeit nieder. Dadurch wurde das Pariser Geschäftsleben empfindlich gestört. Spektakulärer Höhepunkt des Arbeitskampfes war eine mehrstündige Besetzung des FNAC-Pavillions durch streikende Arbeiter während der französischen Buchmesse am 21. März. Dadurch kam der Arbeitskampf auch international in die Schlagzeilen. Die FNAC-Geschäftsleitung musste sich zu Verhandlungen bereiterklären. Die Ergebnisse waren ein Teilerfolg, wie sich Duchanin ausdrückte: »Nach über einem Monat wurde der Lohn der Angestellten in der FNAC-Zentrale am Champs Elyseés um 100 Euro pro Monat erhöht. Eine weitere Forderung der Streikenden nach gleichen Arbeitsbedingungen in allen FNAC-Filialen konnte allerdings nicht durchgesetzt werden. Jede Filiale ist hier weiterhin autonom.« Doch der Gewerkschaftsaktivist sieht den Erfolg des Arbeitskampfes nicht nur in der Durchsetzung der materiellen Forderungen. »Viele Angestellte sind sich bewusst geworden, dass man durch gemeinsame Kämpfe etwas erreichen kann. Das Konkurrenzverhältnis unter den Arbeitern der verschiedenen Betriebe wurde überwunden«, zieht er Monate nach Streikende Resümee. Er will die Beschäftigten hierzulande ermutigen, sich ebenfalls zu wehren. Das ist auch das Anliegen des »Stammtischs der Buchberufe«, der neben dem Kultursyndikat der FAU (Freie ArbeitnehmerInnen Union) zu den Organisatoren der Berliner Veranstaltung gehörte. Verwiesen wurde am Montagabend beispielsweise auf die schlechten Arbeitsbedingungen beim Kulturkaufhaus Dussmann, die denen in den FNAC-Filialen ähneln. Man diskutierte auch über die Schließung der Buchhandelskette Kiepert. Dort blieben die Beschäftigten völlig passiv. Ein Zuhörer stellt die Frage: »Was hätten die Kiepert-Beschäftigten erreichen können, wenn sie wenigstens einen Versuch gemacht hätten? Schließlich gingen die französischen Kollegen von FNAC auch ohne Erfolgsgarantie in den Streik.« |