ND 21.05.02Verdächtiges Friedensengagement Lehrerin soll sich vor Behörden verantworten
Von Peter Nowak
Vor einigen Wochen stand die bayerische Lehrerin Sophia Deeg für einige Tage in der Medienöffentlichkeit, weil sie mit ihrer Tochter einige Tage im belagerten Hauptquartier Arafats weilte. Jetzt musste sie sich dafür vor den bayerischen Behörden rechtfertigen. Bei ihren Aufenthalt in Ramallah wurden Mutter und Tochter Deeg vom Einmarsch der israelischen Armee überrascht. Vor den Augen nicht nur der erbosten israelischen Soldaten, sondern auch vieler Fernsehkameras gelangten sie in das belagerte Hauptquartier des palästinensischen Präsidenten Yassir Arafat. Während Sophia Deeg nach wenigen Tagen die Heimreise antrat, harrte ihre erwachsene Tochter im zerstörten Arafat-Sitz aus, bis die israelische Armee die Belagerung aufhob. Beide gaben mehrere Telefon-Interviews, in der sie die Situation vor Ort schilderten. Sophia Deeg hat dabei immer wieder betont, als Menschenrechtlerin nicht aus Sympathie mit Arafat, sondern aus Protest gegen den israelischen Militäreinsatze in den Nahen Osten gefahren zu sein. Auch nach ihrer Rückkehr setzte Sophia Deeg das friedenspolitisches Engagement fort. So hielt sie auf einer von der globalisierungskritischen Organisation Attac gemeinsam mit dem Palästinensischen Studentenverein in München organisierten Veranstaltung eine Rede. Das rief jetzt die bayerischen Behörden auf den Plan. Das Regierungspräsidium forderte Frau Deeg auf, zu ihrer Tätigkeit »insbesondere als Friedensaktivistin« und zu ihrer vermuteten Attac-Mitgliedschaft vor dem »Hintergrund der Vereinbarkeit dieser Tätigkeit mit der Verfassungstreue zum Freistaat Bayern« Stellung zu nehmen. Außerdem wollen die Behörden von der Lehrerin wissen, in welchen Organisationen sie Mitglied ist, welche politische Zielsetzungen diese verfolgen und welche Kontakte sie zu anderen Organisationen haben. »Insbesondere in sicherheitspolitisch angespannten Zeiten.... bringt es bereits die Tätigkeit in organisierten Friedensbewegungen mit sich, nähere Auskünfte darüber einzuholen«, heißt es aus dem Regierungspräsidium zur Begründung. Die Gewerkschaft (GEW) spricht von der Einschüchterung einer »bürgerschaftlich engagierten Lehrerin« und fordert die sofortige Rücknahme der Schreiben sowie die vollständige Rehabilitierung von Sophia Deeg. Außerdem richtete der bayerische GEW-Landesvorsitzende Georg Wiesmeier an das Regierungspräsidium die Anfrage, ob und wie viele weitere Lehrer ähnliche Briefe erhalten haben. Die Antwort steht noch aus. Das Vorgehen gegen Frau Deeg erinnert an die Hochzeiten der Berufsverbote in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch damals reichte die Mitgliedschaft in der pazifistischen Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner, um in Bayern nicht zum Lehramt zugelassen zu werden. |