Telepolis25.02.2002Der Klang der sozialen Bewegungen
Peter Nowak
Eher traditionell ging es am Wochenende beim "Festival Musik und Politik" in Berlin zu
"Da sind wir aber immer noch und der Staat, der ist noch da, den Arbeiter erbaun". hieß der Refrain einer Hymne des 'Festival des politischen Liedes', das seit 1970 alljährlich im Februar in Ostberlin über die Bühne ging. Nach dem Ende der DDR versuchten einige Kulturwissenschaftler und Künstler das Musikevent unter den Namen Zwischen-Welt-Festival den veränderten Bedingungen anzupassen. 1994 musste der Reanimationsversuch aus Mangel aus Geldmangel und Konzeptlosigkeit abgebrochen werden. Doch manchmal leben Totgesagte länger.
Vor zwei Jahren meldete sich das Festival [1]zurück. Der gemeinnützige Verein [2]Lied und soziale Bewegungen e.V. hatte mit wenig finanziellen Mitteln und viel Engagement die Initiative übernommen. Am letzten Wochenende fand nun in drei Ostberliner Kultureinrichtungen zum zweiten Mal das nach dem Revival umbenannte [3]Festival Musik und Politik statt.
Anders als im [4]letzten Jahr, als die Festivalmacher mit einem Konzert HipHop meets Liedermacher kulturelles Neuland betreten hatten, blieb man in diesem Jahr eher bei Althergebrachtem. Internationale Klänge aus Südafrika und Kuba wechselten mit arbeiterbewegten Liedgut und politischer Straßenmusik ab. Für einen poststruktrualistischen Einschlag sorgten die Berliner Frauenband [5]Britta und die Deutschrockband [6]Dzuiks Küche.
Lediglich der US-amerikanische Künstler [7]Bob Ostertag brachte mit seiner Yugoslawia Suite, einer Kombination von Bild- und Soundcollagen, Videospielen und CNN-Bildern einen Hauch von Avantgarde in das Festival.
Neben der Musik gab es auch eine Reihe von Workshops, bei denen es in unterschiedlichen Facetten von Politik und Kultur gehen sollte. So untersuchte die Musikwissenschaftlerin Inge Karger an Hand der längst verblichenen österreichischen Polit-Rockband [8]Schmetterlinge, wie in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Zunahme der politisch engagierten Konzerte die politischen Aktionen auf der Strasse zurück gegangen sind.
Mehr praktisch sollte es im Workshop "Wie klingen soziale Bewegungen heute" zu gehen. Doch außer einigen guten Bonmots wie "30 Jahre Franz Josef Degenhardt zu Hause auf dem Sofa oder 150 Jahre Slime im Demo-Lautsprecherwagen" redeten die Vertreter der mehr oder weniger authentischen sozialen Bewegungen aneinander vorbei. Oder sie schwiegen sich aus wie Klaus Weber vom Kulturprojekt [9]Zigaretten Rauchen.
Guillaume Paoli von den [10]Glücklichen Arbeitslosen stimmte wie einst der Schriftsteller Martin Walser ein Lamento über die ständige Musikberieselung in Kaufhäusern an. David Schäfer von der Autonomen Antifa hingegen war der Meinung, dass soziale Bewegungen nicht erster Linie klingen, sondern sich bewegen sollen. Er orientierte sich zumindest an der Fragestellung des Workshops, führte sich aber ansonsten wie ein altkluger Jugendlicher auf, der Zensuren über die unterschiedlichen Musikerzeugnisse vom Liedermacher Franz-Josef Degenhardt bis zur Hausband der Globalisierungskritiker [11]Manu Chau verteilte.
Die Veranstalter haben sich zufrieden mit dem diesjährigen Kulturevent gezeigt und in einer Pressemitteilung schon auf das Festival Musik und Kultur 2003 hingewiesen. Doch noch ist nicht ausgemacht, ob es sich dauerhaft etablieren kann. Dazu gehört neben mehr finanziellen Mitteln der Mut der Veranstalter, die ausgetretenen Pfade des traditionellen politischen Liedgutes zu verlassen. Die Bereitschaft war im letzten Jahr schon größer. |