nd vom 23.11.02Gebühren-Lobby ködert Akademiker-Nachwuchs
Von Peter Nowak
Als es noch aktive linke Hochschulgruppen gab, war klar, dass es nur um einen lateinamerikanischen Revolutionär gehen konnte, wenn von Che die Rede war. Damals gehörte die These von den immer stärker den Kapitalinteressen unterworfenen Universitäten zu den studentischen Standardbehauptungen. Heute ist auch an den Universitäten die kapitalismuskritische Linke dezimiert. Ist aktuell am Campus vom CHE die Rede, dann ist damit das Zentrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh gemeint. Das CHE ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bertelsmann-Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Seit seiner Gründung 1994 versteht es sich als eine Art »Think Tank« zur Umgestaltung von Deutschlands Hochschulen in Richtung von Wettbewerbs- und Marktprinzipien. Über mangelndes Interesse brauchen sich die Gütersloher nicht zu beklagen. Spiegel-Online nennt das CHE schon »heimliches Bildungsministerium«. Die Propagierung von Studiengebühren gehörte von Anfang an zu den zentralen Forderungen des CHE um seinen Geschäftsführer Detlef Müller-Böling. Doch in letzter Zeit haben die Planspiele konkrete Formen angenommen. Im Mai wurde bekannt, dass an der Technischen Universität München kostenpflichtige Elitekurse eingeführt werden sollen. Doch nur von Seiten der Universitätsleitung gab es dafür Zustimmung. »Der Plan, Studenten stärker in das CHE einzubinden, war indes bislang nur mäßig erfolgreich. Zu groß scheint das Misstrauen der Studenten gegenüber allen Inkasso-Ideen – schließlich sind sie es, denen es ans Portemonnaie gehen soll«, heißt es auf Spiegel-Online. Doch die findigen CHE-Strategen gaben ihr Vorhaben nicht auf, Studenten für ihre Studiengebühren-Thesen zu gewinnen. Und sie waren erfolgreich: Im Juli boten erstmals rund 50 Studenten der TU Dresden in einem Offenen Brief als »Gegenleistung für ihre akademische Ausbildung« an, pro Semester 100 Euro Studiengebühren zu zahlen. »Wir wollen auch etwas bieten. Es bringt nichts, immer nur dagegen zu sein«, wird Jens Bemme, ein Initiator dieser Initiative, zitiert. Bemme gehörte auch zu dem ausgewählten Kreis von Studenten, die im September vom CHE zum Workshop »Hochschulfinanzierung – Modell X« nach Bommerholz bei Witten in Nordrhein-Westfalen eingeladen wurden. Als Ergebnis dieser Tagung wurden die Bommerholzer Thesen verfasst, mit denen das CHE jetzt öffentlich arbeitet. Die Grundidee lautet kurz und knapp: Wer zahlt, bestimmt die Richtung. Wenn sich Studenten an den Kosten des Studiums beteiligen, dürfen sie an der Hochschule auch mitbestimmen. Ein Verein soll die Gebühren sowohl bei der Einschreibung als auch bei Rückmeldung eintreiben und gezielt zur Verbesserung der Lehre verwenden. Diese Vorstellungen haben durchaus Vorläufer. In Witten hat eine Privatuniversität ihren Sitz. Auch dort wurde von Studenten ein Gebührenmodell entwickelt, das den in den Bommerholzener Thesen niedergeschriebenen Vorstellungen sehr ähnlich ist. Die Gegner von Studiengebühren haben durchaus die Brisanz dieses neuen CHE-Vorstoßes erkannt und schlugen sofort Alarm. So sind der »freie zusammenschluss von studentInnenschaften« (fzs) und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) in der letzten Woche mit einer gemeinsamen Presseerklärung an die Öffentlichkeit gegangen. »Diese Pläne sind wie alle Studiengebührenpläne der Vergangenheit für den Papierkorb«, lautet der Kommentar des ABS-Geschäftsführer Klemens Himpele zu den Bommerholzer Thesen. Ob die entschiedenen Studiengebühren-Gegner sich noch einmal durchsetzen können, wird indes auch an der TU Dresden entschieden. Dort werden die Thesen, die an dem Großteil der Kommilitonen vorbeilanciert wurden, mittlerweile kontrovers diskutiert. |