junge Welt31.01.2001 Waren Sie von Zwischenfällen mit Uranmunition überrascht? jW sprach mit Karin Masche aus Fulda, Mitbegründerin und Chronistin der osthessischen Friedensbewegung _________________________________________________________________
F: Das Bundesverteidigungsministerium hat erklärt, daß der US- Standort Fulda von »Zwischenfällen« mit Uranmunition betroffen war. Überrascht Sie als jahrelange Aktivistin der osthessischen Friedensbewegung diese Meldung?
Ja, ich bin immer wieder erschüttert, wie unsere Recherchen und Befürchtungen von der Wirklichkeit noch übertroffen werden. Wir haben in Osthessen die Manöver und Aktivitäten der Militärs sehr genau beobachtet, die Einrichtungen, Lager und Stationierungen regelrecht kartographiert. Ich hätte damals schlimmstenfalls damit gerechnet, daß in den Munitionslagern der Region entgegen den Verlautbarungen dennoch ABC-Waffen lagern. Auch Munition für das integrierte Schlachtfeld im Fuldaer Gap, für eine Kriegsführung, wie sie das »field manual 100-5« und die Air-Land-Battle-Strategie vorsieht, hatten wir befürchtet. Daß aber die Panzer mit solcher Bewaffnung alltäglich bei uns spazieren gefahren sind, so eine Spekulation hätten wir nie gewagt aufzustellen. Dann ist ein Panzer mit DU-Munition im bewohnten Kasernengelände ausgebrannt. Diese Panzer müssen also zumindest im Manöver mit »scharfer« uranhaltiger Munition ausgerüstet gewesen sein.
F: Welche Bedeutung hatte die Region Fulda für das US- Militär?
Der beschriebene Unfall in Fulda soll sich 1981 ereignet haben. Zu einer Zeit, als sich die Friedensbewegung um die Frage der Stationierung der PershingII und Cruise missiles in Fulda entwickelte. Für Fulda hieß diese Arbeit in der Friedensbewegung, vor allem auch die sichtbare militärische Präsenz damit in Zusammenhang zu bringen. Bei dem Übungsgelände in unserer Stadt handelt es sich um die Inszenierung eines integrierten Schlachtfeldes unter Einsatz von »konventionellen« und ABC-Waffen. Wir haben uns recht früh damit auch im universitären Bereich auseinandergesetzt; die Fachhochschule Fulda und sogar die renommierte Harvard University haben dazu vor Ort gearbeitet. Aus dem Nähkästchen geplaudert, fing unsere Recherche damit an, daß ein junger Mann 1980 in unsere Beratung zur Kriegsdienstverweigerung kam und das Brettspiel »Fulda-Gap« mitbrachte, das er bei Umzugsarbeiten von einem amerikanischen Soldaten geschenkt bekam.
F: Anfang der 90er Jahre gab es Beschwerden über Verunreinigungen im Trinkwasser. Inwieweit könnte das mit diesen Zwischenfällen mit Uranmunition in Verbindung stehen?
Während des Golfkrieges im Februar 1991 organisierte die Friedensbewegung eine mehrwöchige Mahnwache in Eis und Schnee vor den Fuldaer Kasernen. Die Fuldaer GIs wurden zum nahegelegenen Truppenübungsplatz Wildflecken gebracht, wo sie vor dem Golfkriegseinsatz trainiert wurden. Eines Morgens nach der Schneeschmelze bemerkten wir beim Kochen einer ganzen Kaffeeladung für die Fuldaer Mahnwachen einen ekelhaften Geschmack im Trinkwasser. Das Fuldaer Trinkwasser kam u. a. von einer Quelle nördlich des Truppenübungsplatzes. Wir haben das Wasser sofort zur Analyse gebracht. Dabei wurde uns bestätigt, daß die gefundenen Alkyl-Phenole aus ausgewaschenen Sprengstoffen entstehen können. Schon dies alleine hielten wir damals für einen Skandal.
Nun wird ein Unfall mit DU im Jahr 1990 bestätigt. Ich halte es für möglich und sehr wahrscheinlich, daß die zugegebenermaßen auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken freigesetzten Uranpartikel in die Fuldaer Trinkwasserleitung verteilt wurden. Scharping sagte sinngemäß, daß man sie schon essen müsse, um Schaden zu nehmen. Dieser Schaden geht zunächst an die Nieren, ich bin besonders empört und betroffen, weil ich selbst Fälle von Nierenversagen in meiner Familie habe, die nach 1991 aufgetreten sind.
F: Wurde die Umweltverschmutzung durch die Manöver und dabei vielleicht auch die Verwendung von Uranmunition in der damaligen Friedensbewegung thematisiert?
Uns waren »Atomhaubitzen« bekannt, somit vermuteten wir auch immer eine Lagerung dieser Munition in unserer Region. Bei Manöverbeobachtungen haben wir auch mehrfach Dekontaminationsaktivitäten registriert. Der Panzerunfall wurde schon zu einem früheren Zeitpunkt zugegeben, aber nicht, daß er in Zusammenhang mit der DU-Munition steht. Ich frage mich, was bei diesen Manövern alles so verschossen wurde, wenn nun bekannt wird, daß ein Panzer, der DU- Munition an Bord hatte, ins Manöver nach Grafenwöhr fährt. Die Fuldaer Zeitung titelte im Juli 1981 in einem Artikel über das 11. US-Panzeraufklärungsregiment auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr »>Kampf< gegen Feind und Staub«. Es folgten Berichte über die eingesetzten Geräte und dann die Versicherung: »Freilich: Geschossen wird nur mit Übungsmunition«, und weiter hieß es, daß der einzige Unterschied zum Ernstfall sei, daß der Feind nicht zurückschieße. Doch wegen der Übung einer Verteidigung im Falle einer chemischen Kriegsführung gehörten Gasmasken und Schutzanzüge zur festen Ausrüstung der Soldaten. Ich denke, daß das alles darauf hindeutet, daß bei diesen Manövern in Deutschland auch mit Uranmunition hantiert wurde. Interview: Peter Nowak |