TELEPOLIS01.12.2001Wie im richtigen Leben so auch im Internet
Peter Nowak
Eine Konferenz über epolitics ohne große Kontroversen
Nach eMail und eCommerce ist auch der Begriff ePolitics aus unserem Wortschatz bald nicht mehr wegzudenken. Ist das Internet für die politische Arbeit heute unentbehrlich? Dieser Frage widmete sich am Donnerstag in Berlin eine vom [1]August-Bebel-Institut ausgerichtete Konferenz.
Gerade der Antiglobalisierungsbewegung wird oft nachgesagt, dass sie ein Internetprodukt ist. Wohl nicht ganz zu Unrecht, wenn man den Ausführungen des Attac-Webmasters Oliver Moldenhauer folgt: "Der schnelle Aufbau von [2]Attac wäre ohne die massive Nutzung des Internet nicht möglich gewesen." Täglich werden die ca. 700 Attac-Webseiten von mehr als 1.500 Besuchern angeklickt. Informationen über Ortsgruppen und Veranstaltungen werden abgerufen, aber zunehmend wird auch per Mauseklick demonstriert. So lässt das Protestmail die gute, alte Unterschriftenliste zunehmend anachronistisch werden. Moldenhauer warnt allerdings davor, ePolitics pauschal als hierarchiefrei und demokratisch anzusehen.
Dem schloss sich der an der freien Universität tätige Politologe Johannes Moes an. Der Begriff E-Democracy werde häufig mit e-voting und electronic-goverment identifiziert. Soziale Bewegungen mit ihren gesellschaftsverändernden Anspruch sollten vielmehr über e-movement diskutieren. Moes bemängelte das Fehlen einer kritischen Diskussion über den Gebrauch der Computermedien, obwohl sie gerade von den Protestbewegungen ausgiebig genutzt werden. Mit Moldenhauer war sich Moes einig, dass das Internet andere Kommunikationsformen lediglich ergänzt aber keinesfalls ersetzt. Außerdem sei das Internet nur so demokratisch wie die Gesellschaft, in der es benutzt wird.
Mit dem Internet neue Akzente setzten, will auch das Projekt [3]connexx.av, das vor knapp 2 Jahren von der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) und der IG Medien ins Leben gerufen und jetzt von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di betreut wird. Damit sollen in der New Economy Beschäftigte gezielt angesprochen werden. Mit Erfolg. Die Hamburger Projektbetreuerin Maike Jaeger sieht die Einrichtung eines Betriebsrates bei Pixelpark als ein Ergebnis des Internetprojekts an. Die Beschäftigten wurden per Email gezielt über die Möglichkeiten ihrer eigenen Interessenvertretung informiert. "Hätten wir vor dem Tor Flugblätter verteilt, wären wir ignoriert worden", so Jaeger.
Während sie für ihre Arbeit von der Gewerkschaft entlohnt wird, arbeiten die Indymedia-Mitglieder unentgeltlich. Die beiden von dem Projekt delegierten Podiumsteilnehmer wollten ihre Namen nicht nennen, weil es den Grundsätzen des basisdemokratisch organisierten Medienprojekts widersprechen würde. [4]Indymedia will die Hierarchie von Sender und Empfänger aufheben. Nicht professionelle Journalisten, sondern an sozialen Kämpfen Partizipierende sollen idealtypisch die Berichte schreiben. Doch es wurde auch eingeräumt, dass auch die Nutzer des noch recht jungen Mediums nicht frei von der Konsumhaltung sind. "Natürlich sehen sich viele im Netz die Berichte über Aktionen an, an denen sie nicht teilgenommen haben."
In welcher Form die Grundideen von Indymedia weiterentwickelt werden können, war für die beiden Aktivisten nicht abzusehen. Intern wird zur Zeit heftig über die Frage debattiert, wie mit den Beiträgen rechtslastiger russischer Indymedia-Aktivsten umzugehen ist, ohne den basisdemokratischen Grundsatz "Alle können alles publizieren" allzu stark zu verbiegen.
Auch der SPD-Abgeordnete [5]Jörg Tauss, der von Moderator [6]Burkhard Schröder als einer der wenigen Parlamentarier, der etwas vom Internet versteht, vorgestellt wurde, lobte die Partizipationschancen der ePolitics, die er als Ergänzung der Parlamentsarbeit begreift. Trotz der unterschiedlichen Spektren auf dem Podium und des sachkundigen Moderators wollte eine kontroverse Debatte nicht aufkommen. Das war im Netz allerdings nicht anders. Die Konferenzthesen sollten Wochen zuvor im [7]Internet erarbeitet und diskutiert werden. Doch wie im richtigen Leben waren auch im Internet nur wenige Interessierte dazu bereit. |