junge Welt30.01.2001 Warum schließt das »Ex« nach über 20 Jahren? David Steinbach gehört zur Arbeitsgruppe Öffentlichkeit des »Ex« im Kreuzberger Mehringshof. jW sprach mit ihm _________________________________________________________________
F: Warum macht das traditionsreiche linke Kneipenkollektiv »Ex« im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg am Mittwoch nach über 20 Jahren dicht?
Der entscheidende Grund liegt im mangelnden Funktionieren der Strukturen des Projekts. Durch die Größe und die unterschiedlichen Gruppen gab es immer wieder Kommunikationsprobleme zwischen den Beteiligten. Schließlich waren bis zuletzt 20 unterschiedliche Gruppen am Kneipenprojekt beteiligt.
F: Finanzielle Probleme waren also nicht der Grund der Schließung?
In der aktuellen Lage wäre die finanzielle Situation kein Grund für die Schließung.
F: Haben die genannten Kommunikationsprobleme ihre Ursachen in unterschiedlichen politischen Ansichten der am Projekt beteiligten Gruppen?
Es gab natürlich immer unterschiedliche politische Ansichten der verschiedenen Gruppen. Die waren aber nie so stark, daß keine Zusammenarbeit mehr möglich gewesen wäre. Allerdings hat das Schrumpfen der linken Szene in Berlins insgesamt dazu geführt, daß sich der Kreis derjenigen verringerte, die bereit waren, sich für das Projekt zu engagieren. Schließlich war die Arbeit unentgeltlich.
F: Warum hat man an diesem Dogma festgehalten und die Arbeit nicht bezahlt?
Es gehörte von Anbeginn zum Konzept des »Ex«, daß für den größten Teil der Arbeiten kein Geld bezahlt wird. Allerdings war immer klar, daß bestimmte für das Projekt nötige Arbeiten nur gegen Bezahlung zu haben sind. Allerdings haben die Leute, die dafür Geld bekamen, auch die unentgeltlichen Tresenschichten gemacht. An diesem Grundsatz wollte niemand etwas verändern.
F: Zeigt die Schließung des »Ex« nicht einmal mehr die Grenzen für Alternativprojekte im Kapitalismus, auch wenn sie noch so große politische Ziele haben?
Ich denke, daß es tatsächlich finanzielle Zwänge gibt, die solchen Projekten Grenzen setzen. Doch von einem generellen Scheitern des Projekts würde ich nicht sprechen. Schließlich hat das »Ex« über 20 Jahre funktioniert, was bei der Größe und der Unterschiedlichkeit schon ein Erfolg ist.
F: Das »Ex« war auch Teil der linken Berliner Infrastruktur. Welche Auswirkungen hat das Ende des Projekts in dieser Hinsicht?
Ich denke schon, daß mit der Schließung ein zentraler Punkt für die Berliner Linke wegfällt. Doch mittlerweile gibt es in den unterschiedlichen Stadtteilen eigene linke Zentren, so daß die Schließung des »Ex« keine gravierenden Auswirkungen für die linke Berliner Infrastruktur haben wird.
F: Was wird mit den leeren Räumen des »Ex« in Zukunft geschehen?
Das ist noch nicht endgültig geklärt. Drei Projekte haben Interesse bekundet, die Räume zu mieten. Ein kommerziell geführtes Café, ein brasilianisches Kulturprojekt und der schon im Mehringhof beheimatete Buchladen »Schwarze Risse«. Die endgültige Entscheidung wird von der Mieterversammlung des Mehringhofs in den nächsten Wochen getroffen werden.
Interview: Peter Nowak |