junge Welt18.01.2001 Bald keine Wagenburg mehr in Berlin? jW sprach mit Jürgen Faulstich, einem der Betroffenen _________________________________________________________________
Jürgen Faulstich ist im Wagenburgenplenum an der Vorbereitung der Demo beteiligt, die unter dem Motto »Die Stadt sind wir alle!« am Sonnabend gegen die Vertreibung von Wagenburgen aus Berlins Innenstadt protestiert)
F: Warum organisieren Sie für Sonnabend eine Demonstration?
Die Demonstration wird vom Berliner Wagenburgenplenum organisiert, in dem sich die zwölf zur Zeit noch bestehenden Wagenburgen der Stadt zusammengeschlossen haben. Daneben sind auch Bewohner ehemals besetzter Häuser und interessierte Einzelpersonen vertreten. Es gibt zwei aktuelle Anlässe. Am 26. Januar soll der Wagenplatz des besetzten Hauses Köpi in Berlin-Mitte versteigert werden. Schon im November mußten die Bewohner der Wagenburg »Laster und Hänger« ihr Domizil im Stadtteil Prenzlauer Berg nach mehr als vier Jahren verlassen. Seit dieser Zeit wird den mehr als 20 Bewohnern ein neuer Platz verweigert. Sie haben seitdem mit unterschiedlichen Aktionen versucht, einen neuen Platz zu bekommen. Es wurden runde Tische mit Bezirkspolitikern organisiert; kurzfristige Neubesetzungen, die von der Polizei immer wieder geräumt wurden, gab es ebenso wie Mahnwachen und eine Unterschriftensammlung. Die Aktionen haben zwar Sympathie bei Teilen der Bevölkerung gebracht, doch die zuständigen Politiker haben sich überhaupt nicht bewegt. Mit der Demonstration soll die Solidarität mit den Wagenburgbewohnern verstärkt und Druck auf die Politiker ausgeübt werden.
F: Warum mußten die Wagenburgbewohner ihren bisherigen Platz räumen?
Offiziell hieß es, auf der Fläche werde ein Altersheim gebaut. Doch in Wirklichkeit soll hier ein Luxushotel errichtet werden. Der Plan, ein Altersheim zu bauen, ist nur vorgeschoben, um die Akzeptanz der Bevölkerung zu bekommen. Die ist nämlich gegen den Bau eines Hotels.
Wir hätten auf dem Platz bleiben und auf die Räumungsklagen warten können. Das hätte einige Zeit gedauert und die Bauarbeiten auf jeden Fall verzögert. Doch wir wurden derart unter Druck gesetzt, daß wir den Platz schließlich freiwillig verlassen haben. Bauarbeiter drohten uns offen mit körperlicher Gewalt, und wir mußten jederzeit mit einer illegalen Räumung rechnen.
F: Warum finden Sie keinen neuen Platz für die Wagen?
Wir haben Gespräche mit den Bezirkspolitikern von Prenzlauer Berg organisiert, die allerdings behaupteten, daß es keinen entsprechenden Platz im Bezirk gebe. Mit der kurzfristigen Besetzung des Geländes am Mauerpark in der Nähe der Gleimstraße zeigten wir, daß diese Aussagen falsch sind. Für das Gelände hat der Bezirk die Verfügungsberechtigung. Doch die Bezirkspolitiker hatten kein Interesse und ließen uns räumen.
Mittlerweile haben wir auch Gespräche mit der PDS- Bürgermeisterin des Großbezirkes Kreuzberg-Friedrichshain aufgenommen. Doch auch dort wird es wohl schwierig werden, einen Platz zu bekommen. Der zuständige Finanzsenator ist Mitglied der CDU und war jahrelang die rechte Hand des berüchtigten ehemaligen Berliner Innensenators Schönbohm.
F: Warum sind die Politiker nicht kompromißbereit?
Von den Politikern sind Wagenburgen in Berlins Innenstadt nicht gewollt. Ein Senatsvertreter hat das bei einem Gespräch am runden Tisch auch klar so gesagt. Man beruft sich dabei auf die Berliner Linie, die noch von Schönbohm ausgearbeitet wurde. Danach soll in Berlin keine Neubesetzung länger als 24 Stunden geduldet werden. Nur ist diese Bestimmung auf uns gar nicht anwendbar, weil wir keine Neubesetzung sind.
Außerdem ist die Berliner Linie nur eine unverbindliche Absprache und hat keine Gesetzeskraft. So müßte sich auch kein Bezirkspolitiker daran halten. In der letzten Zeit standen wir, wie auch andere Wagenburgen, die uns unterstützten, verstärkt unter polizeilichem Druck. Ende Dezember wurden mehre Kundgebungen, die wir im Zentrum Berlins machen wollten, verboten.
F: Welche Pläne haben Sie?
Parallel zur Versteigerung des Köpi-Geländes am 26. Januar wird vor dem Amtsgericht Mitte in der Littenstraße eine Protestkundgebung stattfinden. Danach versuchen wir erneut, eine Kundgebung im Zentrum Berlins anzumelden und durchzusetzen. Außerdem werden wir weiterhin Plätze besetzen. Denn wir werden uns nicht aus Berlins Innenstadt vertreiben lassen.
Interview: Peter Nowak |