junge Welt06.08.2001»Das ganze Land ist ein F-Typ« Türkei: Gefangene setzen Hungerstreik fort. Solidaritätsgruppen rufen zu europaweiten Protesten auf _________________________________________________________________
»Todesfasten ist in der vierten Jahreszeit - 61 Tote bis jetzt. Drinnen - Draußen gibt es nicht. Das ganze Land ist ein F- Typ. Wir werden unseren Widerstand fortsetzen.« In diesem Telegrammstil war die jüngste Erklärung gehalten, die das in Hamburg ansässige Komitee gegen die Isolationshaft (IKM) kürzlich an die Medien verschickte. Das Solidaritätskomitee wollte damit in einer den Medien eigentlich vertrauten Sprache wieder einmal an den fast vergessenen Umstand erinnern, daß sich in der Türkei noch immer über 1 000 politische Gefangene im Hungerstreik und mehr als 300 im sogenannten Todesfasten befinden. Der Gefangenenkampf gegen die Einführung von Isolationshaftzellen (F-Typ) dauert nun schon seit dem 20. Oktober 2000 an.
Selbst nach dem landesweiten Sturm der türkischen Sicherheitskräfte auf die Gefängnisse Ende Dezember 2000 ging der Gefangenenwiderstand weiter. Mittlerweile 61 Hungerstreikende kamen bei dem Protest ums Leben, 28 von ihnen, als die Militärs in die Gefängnisse eindrangen. Die übrigen starben im »Todesfasten«. Doch eine Lösung des Konflikts ist nicht abzusehen. Während die türkische Regierung die Auseinandersetzung totschweigen will, denken die Gefangenen gar nicht ans Aufgehen. Im Gegenteil: Am 28.Juli hat die sechste Gefangenengruppe ihr »Todesfasten« begonnen. »Es werden immer neue Gruppen mit dem Kampf beginnen, bis die Forderungen der Gefangenen erfüllt sind«, heißt es in einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation Tayad kategorisch.
Wie die Menschenrechtsorganisationen berichten, hat der Druck des türkischen Staates auf die Gefangenen und ihre Unterstützer in der letzten Zeit wieder erheblich zugenommen. So ist das Istanbuler Gecekondu-Gebiet, im dem das Todesfasten der Tayad-Angehörigen und freigelassenen Gefangenen fortgeführt wird, seit Ende Juli von starken Sicherheitskräften umzingelt. Die Anwohner des Elendsviertels sowie die Besucher der Hungerstreikenden werden willkürlich Kontrollen unterzogen und inhaftiert. Huseyin Aktepe, Angehöriger eines Gefangenen, befindet sich seit mehreren Tagen in Haft einer sogenannten Anti- Terror-Einheit.
»Laßt uns den Hunger fühlen!« Am Wochenende rief die Gefangenenhilfsorganisation Tayad zu europaweiten Protesten auf, etwa zu einem dreitägigen »Solidaritätshungerstreik« ab dem 15. August. Dann nämlich sei der »Todesfastenwiderstand der Gefangenen und deren Angehörigen am 300. Tag angelangt«.
Peter Nowak |