Frankfurter Rundsc hau 01.12.2001Nicht auf dem Trockenen Anwohner wollen ein Schwimmbad kaufen und sanieren
Von Peter Nowak
"Ein leeres Schwimmbad ist schon eine Skurrilität", heißt es in Katharina Hackers Roman "Der Bademeister". "Wenn man ins Becken rein geht, hat man eine ganz bestimmte Art von Irritation, weil klar ist, dass die Elemente in Unordnung geraten sind, und ein staubiges Schwimmbecken finde ich besonders skurril. Weil es eben einfach nicht passt." Es ist nicht irgendeine Badeanstalt, die die Schriftstellerin vor Augen hat, sondern eine ganz bestimmte "Skurrilität". Jenes Stadtbad am Prenzlauer Berg nämlich, das demnächst von seinen Benutzern betrieben werden soll.
Seit hundert Jahren steht es da, das von Ludwig Hofmann erbaute Stadtbad in der Oderberger Straße. Ein Schmuckstück im Renaissance-Stil mit einem großen und einem kleinen Becken. Es gibt türkise Kacheln, schmiedeeiserne Treppengeländer und einen Lichtbogen. Pfeiler mit Löwenköpfen stützen die Galerie, auf der die Zuschauerbänke stehen. Wannenbäder gibt es in der oberen Etage. Einst kamen dreitausend Badegäste pro Woche hierher. Das Aus kam am 10. Dezember 1986. An diesem Tag wurde das Bad wegen des schlechten baulichen Zustands geschlossen und verfiel daraufhin immer mehr.
Unmittelbar nach der Schließung gründete sich die Bürgerinitiative Stadtbad Oderberger Straße, die ein Ziel vor Augen hatte: den Erhalt des Schwimmtempels. Ihre Ausdauer hat jetzt zu einer ganz und gar unkonventionellen Lösung geführt, an der auch die Politiker der chronisch verschuldeten Hauptstadt Gefallen finden müssten. Eine private Anwohnerinitiative gründete eine Genossenschaft, die das Bad gekauft hat und in den nächsten Jahren sanieren will. 250 Mitglieder hat der Verein schon gewonnen, bis zum Jahresende sollen es tausend werden. Der Großteil der etwa 35 Millionen Mark, die für die Sanierung benötigt werden, sollen über Kapitalfonds, Bankdarlehen und EU-Zuschüsse aufgebracht werden.
Für einen Mann ist es ein besonderer Triumph, dass in der Oderberger Straße in einigen Jahren wieder Wasserfreuden gefrönt werden kann. Bernd Holtfreter war 1986 Gründungsmitglied der Initiative und hat den Kampf um den Erhalt des Bades nie verloren gegeben. Unermüdlich hat der PDS-Politiker Lobbyarbeit gemacht, Unterschriften gesammelt, Petitionen verfasst. Dabei hätten er und seine Mitstreiter genügend Gründe zum Aufgeben gehabt. Schließlich erklärten die Berliner Bäderbetriebe, zuständig für das Schwimmen und Planschen in der Hauptstadt, noch vor wenigen Jahren, dass es in der Oderberger Straße kein Schwimmbad mehr geben werde.
Der erste Tag der offenen Tür seit 1986 lockte jetzt mehr als tausend Besucher an. Viele von ihnen sind erst in den vergangenen Jahren in die Gegend gezogen. Schließlich hat sich der alternative DDR-Kiez in Mauernähe zu einer angesagten Wohngegend für Besserverdienende entwickelt. Das ging auch an den Planungen für das neue Stadtbad nicht ganz spurlos vorüber. Die ursprünglich eingeplanten Duschen für Anwohner ohne Bad wird es nicht mehr geben. Das Konzept eines Kunst- und Kulturbades mit Sauna-Etagen und Ausstellungsflächen passt wohl besser in das veränderte Wohnumfeld.
Noch sieht es so aus, wie Katharina Hacker es beschrieben hat: "Und dann hat man diese große Halle, eigentlich eine sehr schöne Architektur, dabei diesen Verfall, und die bizarren Schilder, die ich zitiere, die hängen da wirklich noch oder hingen noch, als ich das letzte Mal da war. Es ist einer dieser Orte, die sehr stark durch ihre Abwesenheit geprägt sind. Und in dem Fall auch durch eine ganz ganz große Verlorenheit. Es wirkte bemitleidenswert, dieser ganze Ort. Sehr trist, schon sehr melancholisch."
Doch könnte die Melancholie bald weichen. Im Jahr 2004, so hoffen die Leute von der Initiative, darf an der Oderberger Straße wieder geplanscht werden. |